"Licht aus, Spot an!"
Die Eurovisionshymne wird gespielt. Und schon fühlt man sich Jahrzehnte zurückversetzt in die Zeit der großen Fernsehshows. Sei es Kulis „EWG“, Rosenthals „Dalli Dalli“ oder Carrells „Am laufenden Band“. Die Familie vereint vor dem Fernseher, Chips in Reichweite und es konnte losgehen. Bekannte Rituale erhöhten den Vertrautheitseffekt, seien es die Kulissen, die Showmaster mit den stets gleichen Attitüden oder ihre immer gut gelaunten, „appetitlich anzusehenden“ Assistentinnen, die nur als charmante Nebenrollen zu fungieren hatten.
Das Regieduo Barbara Bürk und Clemens Sienknecht inszenierte am Düsseldorfer Schauspielhaus mit Wonkel Anja - Die Show! eine witzige, klug durchdachte Persiflage auf diese Shows, die die Zuschauern einen Abend lang in eine ach so heile Welt mit Quizfragen, Glücksrädern, Showeinlagen und vor allem Kandidaten wie du und ich entführten. Bürk und Sienknecht verquicken ihren ironischen Blick auf die gut geölte TV-Familienunterhaltung der 1970-er und 1980-er Jahre mit Tschechows Stück Onkel Wanja.
Tschechow zeichnet in diesem Drama den Ausbruch persönlicher Krisen von Menschen in einer bestimmten Lebensphase und -situation. Sie alle leben auf einem einsamen, russischen Landgut. Alle suchen nach einer Leitlinie, nach einem Sinn im Leben, müssen mit Enttäuschungen und fehlgeschlagenen Lebens- und Liebeshoffnungen fertig werden.
Bürk und Sienknecht sehen als gemeinsames Element in den Zuschauern dieser Shows und in Tschechows Onkel Wanja die Sehnsucht, sich zumindest kurzfristig einer Illusion von Glück hingeben zu können. Und das gelingt gut. Die Bühne zeigt eine typische TV-Studiokulisse mit Showtreppe, Sitzecke, Klavier, diversen Mikrophonen und Buzzern. Sienknecht ist Schietmar Dönherr, der wendige, betont gut aufgelegte Showmaster, der von Bibi Vach (hervorragend: Lieke Hoppe) als seiner Assistentin unterstützt wird. Musikalisch stets dabei Friedrich Paravinci (Friedrich Friedmüller) und seine Hammond-Orgel. Die fünf Kandidaten - Claudia Hübbecker als ältliche, bildungsbeflissene Kuratorin, Hanna Werth als junge, hübsche Gymnastiklehrerein mit Lady Di-Appeal, Torben Kessler, ein besonders eifriger Mitspieler, Thiemo Schwarz als gemütlicher Dozent für Literaturwissenschaft, und Thomas Wittmann als vorsichtig agierender Versicherungsvertreter - sind alle exzellent in ihrem angestrengten Spiel und Bemühen, bei jeder noch so verrückten Aufgabe Punkte zu machen. Sie tanzen, singen und spielen vor allem vorgegebene Szenen aus dem Tschechow-Drama. Die Autoren nennen sie so treffend „Kandidatenhamster“. Der Showmaster nimmt sie nicht einen Moment ernst - so hört er nie genau zu, wenn sie etwas sagen - und rast stattdessen betont spritzig-witzig durch das Programm. Nicht ohne diverse Sponsoren der Sendung zu nennen („Nudeln Stroganoff“ z.B.). Geschickt animiert er das TV- bzw. das Theaterpublikum, mitzumachen. Auf ein Zeichen bemühen sich die meisten Zuschauer, das vorher mit ihm eingeübte Rauschen eines Waldes inklusive Vogelgezwitscher zu imitieren. Man staunt, mit welcher Begeisterung sie sich „dressieren“ lassen.
Ein über weite Strecken unterhaltsamer Abend - nicht zuletzt wegen der vielen durchaus gekonnt vorgetragenen bekannten Songs. Quizfragen wie „Wie heißt die männliche Ente?“, bekannte Showelemente wie die Auflösung des Quiz der letzten Sendung, Preise wie ein „Verwöhn-Wochenende im Hotel Walhalla in Osnabrück“ oder ein tragbarer Fernseher - all das lässt Erinnerungen an die Familien-TV-Abende aufleben. Der Spagat zwischen den Figuren aus Onkel Wanja, die von den Kandidaten in diversen Spielszenen - mal in klassischen Kostümen, dann mit Ganzkörperpappmasken - eigentlich immer überzogen dargestellt werden, gelingt nicht so recht.
Für einen vergnüglichen Abend ist diese Reise in die Vergangenheit dennoch zu empfehlen.