Die kurze Geschichte der Menschheit im Neuss, Rheinisches Landestheater

Sind wir denn noch zu retten?

Regisseur und Autor Sebastian Zarzutzki fasst die Kernaussagen - welche verheerenden Folgen haben die scheinbaren Errungenschaften der Menschheit für diese Erde in Wirklichkeit? - des Romans Eine kurze Geschichte der Menschheit des israelischen Historikers Yuval Noah Harar in seiner ca. 80 Minuten langen Weltuntergangsrevue Die kurze Geschichte der Menschheit zusammen.

Das Publikum erlebt einen höchst vergnüglichen Abend, hat doch Zarzutski Hararis bös-kritische Betrachtung der Menschheitsgeschichte (Harari: „Als Historiker, der Interesse an der Zukunft hat, habe ich eine Sorge, dass nicht künstliche Intelligenz die größte Gefahr für die Menschheit darstellt, sondern natürliche Dummheit.“) mit bekannten Songs - u.a. „The Final Countdown“/Europe; „Sweet Dreams are made of this“/Eurythmics und Livemusik (hervorragend Jürgen Dahmen und Stefan Gesell) ergänzt und so eine unterhaltsame Bühnenshow, inklusive Showtreppe und Bühnennebel, kreiert. Das stimmgewaltige Ensemble - Kathrin Berg, Johanna Freyja Iacono-Sembritzki, Richard Lingscheidt, Rainer Scharenberg - glänzt in der Rolle der Entertainer.

Es beginnt mit einer bläulichen Gletscherkulisse, vor der die vier Akteure - in Fantasiekostümen, z.B. trägt Scharenberg High-Heel-Lack-Stiefeletten, schrillem Make-Up und schrägen Frisuren - stehen und monoton singen. Aus dem Off beschreibt eine Stimme die ersten Stadien des Lebens auf der Erde: von primitiven Einzellern über Zellkolonien mit beginnender Zelldifferenzierung über Fotosynthese betreibende Grünalgen bis hin zur Entstehung mancher wirbelloser Tierarten wie z.B. Schwämme und Schalentiere. Schließlich dann das Auftauchen der Wirbeltiere. Biologisch korrekt werden die Stämme der Wirbeltiere genauer erwähnt. Fische, Amphibien, Reptilien (hier ein besonderes Augenmerk auf die Dinosaurier) und ganz am Schluss die Säugetiere und als „Krone der Schöpfung“ der Mensch.

Die Menschheitswerdung wird sachlich in Ausschnitten skizziert, ab und an kommentiert (so: „Jagen als Teamwork“ in der Steinzeit). Ach so fortschrittliche Erfindungen wie das Feuer werden sofort kritisch hinterfragt. Man denke nur an die Feuerrodung in Australien. Zwischendurch wandern die Schauspieler immer wieder durch den Zuschauerraum und berichten von bestimmten Ereignissen oder erwähnen einzelne Fakten. So informiert Lingscheidt das erstaunte Publikum, wieviel unproblematischer das Zusammenleben bei den Nacktmullen sei als bei den Menschen. Locker, doch nicht oberflächlich werden Themen wie Kapitalismus oder Monotheismus („Woran glauben Sie?“) angesprochen, Statistiken zitiert, die den drohenden Untergang der Erde ahnen lassen (Erdölverbrauch, Erwärmung der Erdatmosphäre).

Letztlich das Fazit: „Die Welt, die wir geschaffen haben, überfordert uns.“, kommentiert durch die Songzeilen „Don’t you know that you are toxic“ und, als Kontrast, „I did it my way“ von Frank Sinatra.

Ein sehr unterhaltsamer, erfrischender Abend mit Tiefgang.