Junge Schauspiel-Eleven erwecken Brechts „Mann ist Mann“ zu frischem Leben
Man könnte sie Düsseldorfs Glorreiche Sieben nennen. Die sieben Schauspiel-Eleven, die in der Stadt an der Düssel jetzt eine Mann ist Mann-Aufführung so spiel- und bildfreudig in Szene setzten, dass es eine wahre Freude, ja ein theatralisch-optischer Genuss ist, sie auf der „Central“-Bühne des Schauspielhauses zu erleben.
Vor allem aber haben sie in der Inszenierung von David Schnaegelberger, der damit sein Regiestudium am Salzburger Mozarteum abschließt, ein scheintotes Stück von Brecht zu frischem Leben erweckt. Denn wohl nicht ganz zufällig hat Galy Gay, der irische Packer, der einen Fisch fürs Abendessen kaufen will und in der Maschinerie der britischen Kolonialmacht in Indien landet, kaum noch Chancen, auf der Bühne zu landen. Allzu mechanisch, allzu konstruiert kommt das Stück daher, das als Parabel für den Nachweis herhalten muss, wie leicht es ist, einen Menschen „umzubauen“.
Gleichwohl gibt es äußerst witzige, grotesk-komische und fantastische Passagen, die von den Sieben mit Frische, jugendlichem Schwung und auch viel Ironie in Szene gesetzt werden. Galy Gay ist ein allzu gutmütiger Depp: Er kann nicht Nein sagen. Statt eines Fisches lässt er sich eine Gurke aufschwatzen - und von drei Soldaten zu einem der ihren verbiegen. Die drei Spezis haben einen vierten bei einem Raubzug auf eine Pagode zurücklassen müssen und biegen Galy Gay nun zu ihrem Ex-Kumpel Jeraiah Jip um. Dass daraus Identitäts-Probleme erwachsen und der arme irische Packer in die Zwickmühle gerät, lässt sich leicht denken. Das ist nicht selten zynisch und boshaft. Am Ende ist der Arme so verwirrt, dass er selbst nicht mehr weiß, wer er nun wirklich ist.
Geradezu vorgeführt wird er, der Lächerlichkeit preisgegeben. Selbst einen Elefanten, den es gar nicht gibt, muss und darf er versteigern. Was ihn natürlich zum Gespött macht - aber auch zum Betrüger stempelt. Schließlich landet er sogar in der Situation, wenn auch nur scheinbar, hingerichtet und beerdigt zu werden. Sogar die Leichen-Rede darf und muss er halten. Aber auf und für wen eigentlich? Auf sich selbst, auf sein zweites Ich, auf Jip?
Außerdem mischt noch Sergeant Fairchild (Rudi Grieser), der „Blutige Fünfer“, mit. Der in sich selbst verliebte Militär-Macho „befreit“ sich, nach einem kaum erwähnenswerten Techtelmechtel mit der Witwe Begbick (Genet Zegay), mit einem Pistolenschuss selbst von seiner „Mannheit“. Nun fließt tatsächlich Blut.
Szenen wie diese und viele andere sind es, die die Inszenierung zwischen Groteske, Witz und Ironie in köstlicher Schwebe halten. Weg von der Parabel, hin zur Lust am Spiel, am Theater: Das ist die erfrischende Quintessenz eines Theaterabends, den man sehr wohl als kleines Theater-Wunder junger Schauspielerinnen und Schauspieler bezeichnen darf. Neben den bereits Erwähnten glänzen noch Laura Maria Trapp (als Galy Gays Frau, Herr Wang und Bonze), Kilian Bierwirth (als Jesse Mahoney), Vincent Sauer (als Uria Shelley) und Naima Laube (als Polly Baker).
Mit welcher Hingabe und Empathie, Gesten der Verzweiflung und Hilflosigkeit, kurz: mit welcher Menschlichkeit Niklas Mitteregger den Galy Gay alias Jip zwischen all den ihn umgebenden Boshaftigkeiten erträgt und schluckt: Das anzusehen macht einfach Spaß; an dieser Truppe - und am Theater.