Träume, die im Raumschiff enden
„Grotte“ heißt die künstliche Höhle. Es ist ein Ort der Ungastlichkeit. Einer der Depressionen. Eisengestänge über dem Kopf, harte Biertischbänke unterm Hintern. Eigentlich ein Ort zum Davonlaufen. Die Rede ist vom kleinsten Theaterraum des Kölner Schauspiels, in dem, bei aller Enge und Kargheit, gleichwohl immer wieder kleine Schätzchen zu erleben sind. Wie jetzt La bella Confusione, wirklich eine schöne Konfusion, die Julian Pörksen sowohl erfunden als auch als Uraufführung in Szene gesetzt hat. Darin geht es, wie auch anders, um das Leben, das so viele Verwirrungen bereithält, Träume vorgaukelt und melancholisch werden lässt. Aber schön ist es doch. Oder? Schließlich ist sie „bella“, die „Verwirrung“.
Bei Pörksen hat sie zwei Schauspieler und eine Schauspielerin in die Zange genommen. Denn nichts, was sie planen, will klappen. Einen Film wollten sie drehen. Aber schon bei der Geschichte haperte es an Zusammenspiel. Nur eins scheint klar: Sie wollen weg, in ein Land der Träume. Dorthin, wo die Welt noch überschaubar ist. Dass dieser Weg der Hindernisse gleichwohl von viel Witz und Humor begleitet wird, ist ein Gewinn dieses „Grotte“-Abends.
Wir wissen rasch, worum es geht: ums Scheitern. Der Film, den Paul (Paul Langemann), Ines (Ines Marie Westernströer) und Simon (Simon Kirsch) drehen wollten, ist, wie uns Paul, anfangs staksig und vermeintlich ein wenig deppert, klarmacht, „gescheitert“. Klar sollte er sein, berührend und direkt. Doch Pustekuchen, er ist unklarer als je zuvor. Aber, so Pauls Trost, man werde dem werten Publikum „ein paar Scherben von einem großen Traum zeigen.“
Und die Illusion beginnt. Paul filmt Ines und Simon, die in einer Auto-Attrappe gen Süden zuckeln. Paul steht vor der Attrappe, filmt – und spielt zudem vorüberhuschende Straßenlaternen mit einer Taschenlampe. Szenen äußerster Komik entstehen. Wohl gerade auch deswegen, weil die Szenerie und das Versagen so traurig und Schwestern existenzieller Melancholie sind. Haarsträubend komische Geschichten entstehen, wenn das Trio etwa die digitale Welt in Clinch mit der analogen geraten lässt. Wenn das Leben etwas ist, was man „im Grunde nicht mag“, ist die nun „Grande Confusione“ auch kaum noch „bella“. Schließlich ist alles so verquer in ihrem vermeintlich so modernen Leben, dass man, „wenn man eine Reise machen will, das Smartphone losschicken könnte“.
Nie weiß man so ganz, ob die drei eine Filmszene oder ihr „wahres Leben“ ins Spiel bringen. Die Übergänge von der imaginierten Welt der Träume und Sehnsüchte in die der Realität sind fließend, manchmal auch abrupt. Und gerade in dieser Mixtur, in der Wünsche, Ängste und Wirklichkeiten aufeinander stoßen, offenbart das Stück seine Reize. Jedenfalls ist hier nichts sicher. Obwohl die drei eigentlich „Hoffnung spielen wollten.“ Am Ende schweben sie im Kosmos. Schwerelos, die Erde unter sich. Noch eine Szene zu einem Film, der sich nicht zu einem Ganzen fügen will. In einem Raumschiff namens Konfusion haben sie sich alle davongemacht.
Die schöne Konfusion ist ein kleines, ein witzig-melancholisches Bilderspiel um verlorene Träume - und wie man damit umgehen kann: mit Humor und einer großen Portion Selbstironie. Jedenfalls ist es ein Stück ohne jede Wehleidigkeit und Larmoyanz in einer Inszenierung, die voller Optimismus steckt. Herzlicher Applaus nach manchen Lachsalven während der nur 60-minütigen kurzweiligen „Grotten“-Fahrt.