Rock-Hamlet im Schauspiel Düsseldorf nur mit Ohrstöpseln erträglich
Sieben Jahre nach der Premiere im Dresdner Staatsschauspiel hatte nun im Düsseldorfer Schauspielhaus der Hamlet in der Version von Regisseur Roger Vontobel lautstarke - mit Düsseldorfer Mimen neu besetzte - Zweitpremiere. Die mit 3 Stunden und 15 Minuten überlange Inszenierung im baustelligen Haus am Gustaf-Gründgens-Platz geriet bis zur Pause als One-Man-Show für den zugegeben grandiosen Sänger und Schauspieler Christian Friedel.
Allerdings waren die dröhnenden Songs mit Begleitung der fünfköpfigen Liveband "Woods of Birnam" nicht nur für den Rezensenten bloß mit Ohrstöpseln zu ertragen. Friedel ist genial in seiner irren, fanatischen, rasenden Art, in der er seinem vermeintlich ermordeten Übervater nachtrauert. Beweise für den Mord gibt es - das wissen Shakespeare-Freunde natürlich - nicht.
Umso erschreckender, wie durchgedreht der junge Hamlet seinen Vater zur Galionsfigur hochstilisiert, der im nicht ganz vollbesetzten Großen Haus gleich mehrfach plakatiert seinem Berserker-Sohn zuschaut, wie er immer und immer wieder in die Tasten haut und in seiner berühmten Textpassage „Mausefalle“ die Worte „Mord. Mord. Mord“ herausbrüllt. Alle übrigen Darsteller bleiben bis zur Halbzeit quasi Statisten in den auf der Bühne nachgebauten Theaterlogen.
Das Publikum wird gleich zu Beginn des Stücks als Klatschkulisse mit einbezogen, muss stakkatohaft und stehend Hamlet und dessen Onkel als neuem König Dänemarks an der Seite von Hamlets Mutter Beifall zollen. Auch zwischen den in Englisch gesungenen Songs folgt oft die Aufforderung zu klatschen. Das macht sogar Sinn in der Vontobel-Inszenierung. Kann doch König Claudius dem so bejubelten Hamlet nicht einfach aus der Königsloge heraus das Maul verbieten.
Aber Christian Erdmann als Claudius, die mondän-glitzernde und beschwichtigende Claudia Hübbecker als Königin und Hamlets Mutter oder der schmierig-wuselnde Kämmerer Polonius (Thomas Wittmann) bleiben bis zur Pause blass und machen mitunter den Eindruck, als würden sie unter ihren Rollen leiden. Ophelia (Cennet Rüya Voß) hat eine grandiose Szene, in der sie die von Hamlet herumgeworfenen Liebesbriefe und Zeichen seiner Zuneigung stammelnd aufklaubt.
Güldenstern und Rosenkranz bleiben vor allem eins: Jugendliche Hanswurste in Pullundern, die keine Haltung und ebenso wenig Meinung zu haben scheinen. Nach der Pause dann der Bruch in der Inszenierung: Keine Musik, kein Rockkonzert - stattdessen Hamlet auf althergebrachte Weise. Da fragt sich manch Zuschauer doch, was denn den Regisseur dazu bewogen hat, einer anstrengend aber furiosen ersten Hälfte des wütenden, trotzigen und fanatischen Hamlet nun eine Art „Wie-es-Euch-gefällt“ Schluss anzuhängen.
Das Publikum stand dennoch am Ende wie am Anfang. Reichlich Applaus gab's auch.