Ein Gang durch 100 Jahre Bochumer Theatergeschichte
Der Vorhang geht auf, Nebel wabert über die Bühne. Im Bühnenhintergrund singen einige Gestalten in Mönchskutten. Vorne auf der Bühne sucht eine ganz in Weiß gekleidete Touristengruppe, alles Frauen, nach dem legendären Theater der Stadt. Natürlich bestens ausgestattet mit Handys, mit denen ständig fotografiert wird. Aus dem Off hört man: „Nur jetzt öffnen wir die Türen für dieses Weltkulturerbe.“ Man sieht Projektionen von Fotos der Intendanten bis Leander Haußmann. Ein Conférencier (Georgios Tsivanoglou) steigt aus einem Automaten für Snacks und singt den Touristinnen alle Namen der Bochumer Intendanten bis zum heutigen Tag vor. Soweit die Einleitung. Die Band erscheint in witzigen Fantasieuniformen. Der Conférencier erinnert an Saladin Schmitt, den ersten Intendanten des Hauses. 1919 (Schmitt: „Ich bin der richtige Mann zur richtigen Zeit.“), als Bochum eine Arbeiterstadt war. Erinnerungen an die politische Situation, kritische Anmerkungen zur Nazizeit, viele Songs, ein Wirbel von Anekdoten, alten Fundstücken aus der Requisite - der Abend nimmt Fahrt auf. Hans Schalla wird zitiert: „Wir machen gutes Theater im Haus im Park.“ Eine Schauspielerin (Jing Xiang) spielt die Führerin durch das damals neue (jetzige) Haus und klettert von der Bühne zu den Zuschauern herab. Sie sucht den persönlichen Kontakt, um die baulichen Besonderheiten des Theatergebäudes zu erläutern: Man habe bei dieser „demokratischen Bauweise“ gleich gute Sicht von allen Plätzen („Das Bochumer Schauspielhaus ist gelebte Demokratie.“). Heftiger Applaus. Besonders weist sie auf den eisernen Vorhang in dieser Spielstätte hin. Und so geht es äußerst vielseitig und bunt weiter mit dem Intendantenkarussell. Regisseur Staab wurde im Stadtarchiv fündig, wo zu jeder Inszenierung des Hauses Material aufbewahrt wurde bzw. wird. Die fünf Schauspielerinnen (zu nennen sind noch: Ann Göbel, Margarida Neto, Mercy Dorcas Otieno, Romy Vreden) und ihr Kollege glänzen alle durch Sangeskünste - knapp zwei Dutzend Lieder, vornehmlich aus dem Bereich der Pop-Musik, mit Ausflügen in die Klassik - wie auch als hervorragende Schauspielerinnen.
Mehr und mehr werden die Touristinnen ein Teil der Geschichte, spielen kurze Szenen (wunderbar: Mercy Dorcas Otieno und Romy Vreden als „Claus Peymann“ und „Fräulein Schneider“, seine Assistentin) und überzeugen durch furiose Tanzeinlagen. Requisiten, Kostüme, eingespielte Filmsequenzen - all das bebildert den Gang durch 100 Jahre Bochumer Theatergeschichte. Peter Zadeks berühmte Inszenierung Kleiner Mann, was nun? wird musikalisch angespielt und es wird lobend erwähnt, dass er die Wahlmiete eingeführt habe. Frank Patrick Steckel („Wochenlange Proben, und was kommt heraus? Die Bar zum Krokodil“.) wird ebenso wenig vergessen wie Leander Haußmann. Unendlich viele kleine Aspekte werden angesprochen und wecken in so manchem Zuschauer Erinnerungen. Es ist nicht eine Minute langweilig, sondern intelligente Unterhaltung auf hohem Niveau. Auch Grönemeyer gehört zu so einem Bochum-Abend (Die Blume im Revier). Man erkennt Bühnenbilder wieder (z.B. aus Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten, Peter Handke) und swingt bei „All you need is love“. Ein großes Lob für die fantastischen Schauspieler, die Musiker und den Regisseur.
Nach 81 Jahren ist Schluss. Beim Blick auf die fünf noch fehlenden Intendanten heißt es: „Wir machen es beim nächsten Mal.“ Ihre Namen werden natürlich genannt.
Man trinkt auf „ein gutes Gestern und ein besseres Morgen“. Eine gelungene Geburtstagsparty, bei der alle Register gezogen wurden. Das Publikum dankte mit minutenlangem Applaus.