Übrigens …

Campiello im Bochum, Schauspielhaus

Ein Blick auf das turbulente Leben „kleiner“ Leute

Das Schauspielhaus Bochum zeigt in der Außenspielstätte „Zeche 1“, später auch im Klinikum, eine außergewöhnliche Produktion. 19 SpielerInnen – PatientInnen und MitarbeiterInnen der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin des LWL-Universitätsklinikums Bochum - führen Peter Turrinis Stück Campiello auf. Mit äußerst großer Spielfreude zeigen sie uns Ausschnitte aus dem Leben der „kleinen“ Leute, die rund um einen heruntergekommenen Platz in Venedig, eben einem Campiello, leben. Ihre Schicksale sind miteinander verwoben, ihre Sorgen und Hoffnungen die gleichen. Sie streiten und sie lieben sich, sie zanken und verbrüdern sich. Eheanbahnungen, Liebschaften, Eifersüchteleien sind zentrale Themen. Unsere Bewohner des Campiello sind oft vulgär und laut und trotzdem zeigt das Stück sehr eindrücklich, dass sie das Leben feiern.

Peter Turrini greift in seinem 1982 geschriebenen Stück Campiello auf Goldonis gleichnamiges Werk aus dem Jahre 1756 zurück. Auch bei ihm steht die Vermittlung heiratsfähiger Töchter im Mittelpunkt, deren Mütter dabei hoffen, dann selbst noch einen Ehemann zu ergattern. Die Pfannkuchenköchin Orsola hat einen Sohn, Zorzetto, der in die jungfräuliche Gnese, Tochter von Donna Pasqua, verliebt ist. Lucietta, Tochter der Donna Catte, ist mit Anzoletto verlobt. Gasparina und ihre Tante Fabrizia tragen die Nase recht hoch. Halten sie sich doch für etwas Besseres. Ein Cavaliere, der plötzlich in diesem kleinen Mikrokosmos auftaucht, verursacht einen großen Wirbel. Macht er doch leichtfertig allen Frauen Heiratsversprechen und verteilt Verlobungsringe. Letztendlich muss er sich geschlagen geben. Fabirizia hilft ihm finanziell aus der Klemme. Der Preis: ihre Nichte , die längst unter der Haube sein sollte.

Die Inszenierung des Teams aus dem LWL-Klinikum gewinnt durch so Vieles. Der Platz ist liebevoll bis in die kleinsten Requisiten ausgestattet: ärmliche Wohnfassaden mit viel Blumenschmuck, eine Taverne, in der oft und gern ein Espresso getrunken wird, bunte Glühbirnen, die zu Festen fröhlich blinken. Musikalische Einlagen wie Lieder („Ciao ciao Bambina“, „O sole mio“ oder auch „Mit 17 hat man noch Träume“) und Tänze (u.a. eine Tarantella) vermitteln italienisches Lebensgefühl. Wobei einige der Akteure über erstaunliche stimmliche Qualitäten verfügen.
Der Abend ist ein gelungenes Beispiel für die Teamarbeit in so einer heterogenen Gruppe von Patienten und Betreuern. Eine flotte, charmante und poetische Inszenierung mit einem Spiel auf Augenhöhe. Eine sinnvolle und kluge Ergänzung zum Theaterspielplan des Bochumer Hauses.