h3xen im Orangerie Theater im Volksgarten

Hexenrevue am Volksgarten

Eine junge, selbstbewusste Schauspielerin und Theatermacherin möchte ein Stück über die - wie sie meint - immer noch vorhandene Benachteiligung der Frau machen. Was braucht es dazu? Weitere Frauen, am besten tanzende Hexen in entsprechenden Klamotten, einen Wald mit Nebel, entsprechende psychedelische Musik, Stroboskoplicht, dazu ein Hexenhäuschen oder besser gleich drei, und natürlich die Geschichte vom Mythos der Frauen und der Historie der Hexen. Helena Aljona Kühn, geboren in Kasachstan, wo sie kaum gelebt hat, von wo sie aber in die Welt auszog und in Köln als freie Schauspielerin gelandet ist, hat sich viel vorgenommen mit ihrem neuen Stück He3en. Die „drei“ ist eine mythische Zahl und nennt gleichzeitig die Summe ihrer agilen „Mit-Hexen“. Auf der großen Bühne des angesagten Orangerie-Theaters im Volksgarten hat sie ein buntes und vielfältiges Potpourri zusammengestellt, mit zahlreichen historischen Informationen, über den Hexenglauben vieler Menschen, über die Anzahl der immer noch stattfindenden Hexenprozesse und Hinrichtungen in der dritten Welt. Natürlich wird der „Hexenhammer“ aus dem 15. Jahrhundert thematisiert, der die Berechtigung der Hexenjagd begründen sollte und der zu 25.000 Hinrichtungen im Gebiet des Deutschen Reiches geführt haben soll; selbst Luther habe das Vorgehen gut geheißen. Nun, das alles ist ja nichts Neues, die schaurigen Erzählungen um Sex mit Hexen kennt man ja.

So optisch spannend das Agieren, Tanzen und das ständige Umziehen der drei Hexen ja ist, mit allerlei visuellen und musikalischen Effekten, so wird es schon ein wenig lang mit der Zeit. Klar, die drei Damen, vor allem Helena, tanzen und bewegen sich sehr eindrucksvoll zur Musik von „Elbtonal Percussion“, aber das könnte man locker etwa kürzen. Die deklamierten Texte sind riesig lang, sehr anspruchsvoll, gemahnen ein wenig an große Literatur, und sind akustisch neben der Musik schwer zu verstehen, geschweige denn zu behalten. Wenn die Rede ist von der Schweinegöttin, welche die Menschen morgens verschlingt und sie abends wieder gebiert, kommen beim Rezensenten leichte Zweifel auf über den Sinn des Theaterstücks, ebenso bei Isis, der Göttin der Magie, die ihren eigenen Sohn beinahe getötet hätte. Was hilft das zum Verständnis für die Frau? Und wer kennt sich da schon genügend aus in dieser Mythologie? Lebensnaher werden Helenas Schilderungen über die eigene Biografie, über die Mutter als Heilpraktikerin inklusive eines Werbeblocks für die umstrittenen Bachblüten. Und die Oma mit dem bösen Blick. Und den Heiterkeitserfolg auf deren Trick, mit einem Zauberspruch einen Mann an sich zu binden einfach dadurch, dass er bei anderen Frauen „keinen mehr hochbekommen konnte“ - den Spruch habe sie leider vergessen, so Helena.

Eher peinlich waren die ausführlichen Auslassungen zu den klassischen Frauenkrankheiten - Endometriose, Blasenentzündung, Pilzinfektionen, Zysten, Myome - und sehr ausführlich zur Menstruation, über große Videos mit frischem Blut an den Händen und innen an den Oberschenkeln. Ist die Menstruation denn immer noch eine geheimnisumwitterte Angelegenheit? Das war einmal, genau wie der verschwiegene Umgang mit Präservativen. Denn auch die Männer haben Probleme mit ihrem Gewicht oder der Prostata und nächtlichem fünf Mal Pinkeln gehen.

Helena Kühn sieht ihr Stück als eine Spurensuche nach Mythos und Historie der Hexen in unserer Welt. Klingt zwar nett, aber muss man ein solches Stück haben? Gibt es nicht interessantere und vor allem effektivere Themen zur Rolle der Frau? Interessiert es heute noch, wieweit die Hexen das moderne Frauenbild geprägt haben? Wie etwa die Mee-too-Debatte? Müssen es unbedingt die Hexen sein? Das Stück ist 30 Jahre zu spät geschrieben, denn die Rolle der Frau hat ganz gewaltig an Substanz zugenommen. Und an der naturgegebenen Biologie von Mann und Frau kann auch die intensivste Emanze nichts ändern. Auch nicht die vollmundigen Texte der Autorin zu ihrem Stück: „Eine Verrückung von Realität, Surrealität, Mythos, Historie und Aktualität. Nicht Fassbares wird spürbar gemacht und findet einen ästhetischen Ausdruck. Inhaltliche und formelle Grenzen werden verwischt und das Dazwischen wird betrachtet.“ Das ist schon schwer nachzuvollziehen, zumindest für den Rezensenten. Helena hat sich leider visuell und inhaltlich arg verhoben, um die gewünschten Themen zu transportieren. Weniger wäre hier mehr gewesen. Und Ambitioniertheit alleine reicht halt nicht aus. Kurzer freundlicher Applaus im ausverkauften Theater.