Übrigens …

2069 – Das Ende der Anderen im Bochum, Schauspielhaus

Die entscheidende Frage ist nicht: „Wo kommst du her?“, sondern: „Wo wollen wir zusammen hin?“

Die Regisseurin Julia Wissert, 1984 in Freiburg geboren, inszenierte in Bochum zum ersten Mal einen afrosurrealistischen Abend für Jugendliche und alle, die sich so fühlen. Wobei unter Afrosurrealismus - laut Programmheft - eine kulturelle Art der Kunst zu verstehen ist, die den Mainstream-Surrealismus um die gelebte Erfahrung Schwarzer Menschen ergänzt.

Worum geht es? Im Jahr 2019 hörte die Welt, wie wir sie kennen, auf, zu existieren. 2069 sollen nun zwei Wissenschaftlerinnen die Ruinen dieser alten Welt vom giftigen Nebel der Vergangenheit befreien, um eine glückliche Zukunft für alle Menschen möglich zu machen. Die Geister der Ungerechtigkeit, Überbleibsel der alten Welt, versuchen, die beiden Frauen negativ zu beeinflussen, werden von ihnen aber schnell verjagt. Sie erkennen, dass nur durch freundschaftliche Kooperation ein glücklicher Ort mit neuen Spielregeln zu schaffen ist.

2069 wird es hierzulande mehr People of Colour geben als weiße Menschen. 2069 – Das Ende der Anderen ist Utopie, in der die Ausschluss-Mechanismen der Gegenwart nicht mehr gültig sind.

Die Inszenierung lässt einiges von diesem Konzept erahnen. Manches bleibt unklar, da zu lange nur stumm agiert wird, höchstens Wortfetzen zu verstehen sind. Und man eigentlich nur nach vorheriger Lektüre des Inhalts sich auf manche Bilder einen Reim machen kann.

Im Zuschauerraum sind die ersten drei Reihen vorne und die letzten fünf Reihen hinten mit Plastikfolie abgedeckt. Das Publikum sitzt quasi isoliert wie auf einer Insel. Gina Haller und Jing Xiang kommen von hinten die Stufen herunter. Sie tragen Plastikanzüge und rote Gummihandschuhe. Sie transportieren verschiedene Gegenstände (Platten, lange Rohre) zur Bühne. Die Verständigung läuft nur über Handzeichen. Eindrucksvoll das Bild, wenn sie mit ihren Händen den Eisernen Vorhang scheinbar hochschieben. Die Bühne wird von einem Plastikvorhang abgedeckt. Erste Worte sind kurze Befehle wie „Scanner an“ und „Brustsauerstoffkoffer an“. Rotes Licht strahlt, ohrenbetäubender elektronischer Lärm ertönt, der Vorhang fällt, zahlreiche weiße Plastikgartenstühle liegen auf der Spielfläche. Die Reste der alten Welt sehen aus, wie man sich die Welt nach einem Atomkrieg vorstellen könnte. Die Frauen bewegen sich im Zeitlupentempo, dann stöhnen sie, taumeln und fallen zu Boden. Sie ziehen Handschuhe und Kapuzen aus und setzen sich nebeneinander auf zwei Stühlestapel. Sie beginnen vorsichtig, Kontakt zueinander aufzunehmen. Es sind eher Gesprächsfetzen als ganze Sätze. Und doch nähern sie sich an. Anstrengend für die Schauspielerinnen, aber auch für die Zuschauer. Ein heftiges Bemühen um die Kommunikation mit dem anderen. Immer wieder Sätze wie „Ich fühle mich irgendwie fremdgesteuert.“ Letztlich bauen sie zusammen ein Zelt, in dem sie verschwinden. Man hört aus dem Off: „Glückwunsch. Der giftige Nebel der Vergangenheit ist besiegt.“ Und „Wir sind Zukunft.“ Zwei Bildschirme über der Bühne zeigen die Gesichter der jungen Leute, die den Text des Abends mitkonzipiert haben.
Es gibt einige beeindruckende Bilder und zwei gute Schauspielerinnen in dieser Inszenierung. Dennoch bleibt manches gut gemeint, wird aber bestenfalls diffus vermittelt.