Übrigens …

Fight Club im Schauspielhaus Düsseldorf

Remaskulinisierung als Lösung

Chuck Palahniuk, 1962 in Pasco/Washington geboren, wuchs in armen Verhältnissen und in einer von Gewalt und Aggression geprägten Umwelt auf. Er machte zwar einen Abschluss in Journalismus, war aber dennoch in den verschiedensten Jobs tätig. Er verfasste mehrere Romane und Kurzgeschichten, aber nur sein Debutroman Fight Club war ein literarischer Großerfolg. Fight Club wurde 1999 von David Fincher mit Brad Pitt, Edward Norton und Helena Bonham Carter in den Hauptrollen verfilmt. Die in Düsseldorf als Uraufführung herausgekommene Theaterfassung des Stoffes wurde von den an der Produktion Beteiligten im Team erarbeitet und ist in keiner Weise ein Abklatsch des Films.

Eddy Runtler, ein junger Mann, der für einen Automobilkonzern arbeitet, scheint es zu etwas gebracht zu haben. Er hat einen gut bezahlten Job und eine schicke Eigentumswohnung in der 15. Etage eines Hochhauses. Schlaflosigkeit und Todessehnsucht weisen jedoch auf Einsamkeit und innere Leere hin. Diese emotionalen Defizite versucht er, durch Besuche in Selbsthilfegruppen für Krankheiten wie Krebs oder Tuberkulose zu bekämpfen. Er gibt vor, selber krank zu sein, und genießt die Empathie, die ihm entgegenschlägt. Hier trifft er Marla Singer. Auch sie verfährt nach diesem Muster. Auch sie sucht echte Gefühle im Angesicht des Todes. Eddy erkennt in ihr seinen Selbstbetrug, die emotionalen Defizite kehren zurück. Erst die Freundschaft mit Tyler Durden, den er kennenlernt, nachdem seine Wohnung unter mysteriösen Umständen zerstört wurde, scheint seine Probleme zu lösen. Tyler kommt ihm wie eine Art Vaterfigur vor, der ihm eine neue Sicht der Welt eröffnet. Eine Welt, in der Männlichkeit und Kraft dominieren. Sie entwerfen den Fight Club, in dem sich junge Männer prügeln, um durch die Kampferfahrung ein neues Gefühl der Lebendigkeit zu erwerben.

Roger Vontobel gelang eine packende Umsetzung des Stoffes. Die Bühne im Central erinnert an einen Boxring, um den die Zuschauer sitzen. Eine Live-Band - drei Musiker und Sonja Beißwenger als Sängerin - spielen schon bei Einlass des Publikums. Es ist eine aggressive, laute Musik, charakteristisch für die Stimmung an diesem Abend. Sonja Beißwenger stöckelt in kurzem Kleid und langen, roten Haaren auf High Heels leicht schwankend daher, wobei sie Kette raucht. Sie ist Marla Singer, die im Spannungsfeld zwischen Eddy und Tyler steht und die selbst auf der Suche nach dem wahren Leben ist. Eddy (Kilian Land spielt diese Rolle äußerst überzeugend) betritt die Bühne. Dieser Ich-Erzähler, dem Palahniuk in seinem Roman keinen Namen gegeben hat, ist ein farblos wirkender junger Mann in weißem Hemd und grauer Anzughose. Er muss in der Rückrufabteilung eines Autokonzerns fragwürdige Abrechnungen machen. Unscheinbar mit Bierdosen in einer Plastiktüte, erzählt er den Zuschauern von seiner Luxuswohnung, den Ikea-Möbeln, seinem monotonen Leben und seiner Senf-Sammlung: „Wissen Sie, ich bin ja nicht Brad Pitt. Aber ich hatte mal eine schöne Wohnung.“ Wie Marla sucht er einen Sinn im Leben mit dem Besuch von Selbsthilfegruppen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es sein schönes Heim schon nicht mehr, das eine Explosion vernichtete. Aus dem Publikum tritt Tyler Durden auf (Wolfgang Michalek spielt ihn gnadenlos gut und grausam).Ein schwammiger, aber wendiger Typ mit zunächst noch blonder Langhaarperücke und Flip-Flops, der Eddy eine „geile Idee“ vorstellt: Zur „Orientierung“ will er einen „Fight Club“ gründen, um den verweichlichten Männern ihre Männlichkeit zurückzugeben. Das Wort der Stunde sei Remaskulinisierung. Auch beim Publikum wirbt er direkt dafür. Ein einsames Leben soll mit archaischem Kampf und brutalem Sex Sinn erhalten. Eddy und Tyler schlagen sich, das Blut spritzt an die Wände des zuvor heruntergelassenen Glaskäfigs. Der Boden dampft. Kilian Land wirft sich immer wieder gegen die Glaswände, blutverschmiert und kaum mehr bei Sinnen. Ohrenbetäubender Lärm macht die Szene fast unerträglich: „Vielleicht ist Selbstzerstörung die Antwort.“ Tyler - jetzt mit schwarzer Hose und schwarzem Jackett - verkündet sein neues Projekt, das „Projekt Chaos“, eine Art Aufruf zum Terrorismus. Diese Welt müsse zerstört werden, um etwas Neues zu schaffen: „Dass sich immer mehr junge Männer radikalisieren, ist kein Wunder. Die westliche Welt vernichtet die Vorstellung von Gott und ersetzt sie durch nichts.“
Realität und Fiktion verschwimmen. Sind Eddy und er nur wirklich eine Person, wie Tyler behauptet? Es herrscht Chaos und laute Musik, dann geht das Licht an. Eddy fuchtelt mit einer Pistole herum und erschießt sich letztlich. Marla singt fast romantisch.melodisch in einer nun friedlichen Atmosphäre: „On a mountain of dead I build monuments of gold“.

Ein Abend mit starken Bildern und einem hervorragenden Ensemble. Ein sehenswerter Abend, den man nicht so schnell vergisst.