Schwarze Poesie und afrikanischer Rhythmus
Voller Poesie und Musik steckt dieser Theaterabend, der dem „africologne“-Festival am Rhein (noch bis 30. Juni) eine ganz eigene Note verleiht. Thema ist die „Negritude“, die bereits in den 1920-er Jahren sprachlicher Ausdruck für schwarz-afrikanisches Selbstbewusstsein wurde. Aime Cesaire (1913-2008) war einer ihrer „Geburtshelfer“. An seiner Seite stand der Literat und Politiker Leopold Sédar Senghor, von 1960 bis 1980 Präsident seines Landes, und Leon-Gontran Damas aus Französisch-Guyana.
Texte Cesaires, eines afrokaribisch- französischen Schriftstellers und Politikers, hat Odile Sankara ins Bild gesetzt. Die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin aus Burkina Faso sucht in „Cesaires Werk“, was sie als „Nährboden“ bezeichnet - für „freie und aufrechte Menschlichkeit“ und „eine neue Stadt ohne Mauern“.
Im Kölner Orangerie-Theater fand nun die Europa-Premiere statt. Weisheiten aus dem Volk sind mit denen großer Philosophen verquickt - und die tropische Hitze des späten Sommerabends lässt spüren, wie Afrikaner in ihr gleichwohl ein Temperament entwickeln, das für die Zukunft des schwarzen Kontinent hoffen lässt. Denn der Ausgleich und die Balance zwischen den sich ungewöhnlich hermetisch gebenden „Worten“ des dichtenden Politikers und politischen Schriftstellers und den mitreißenden Tänzen, der Musik und der Clownerien ist so glänzend gelungen, dass der kühle Mitteleuropäer dagegen, im doppelten Sinne, blass aussieht.
„Afrika schläft nicht, es bewegt sich in seinem eigenen Rhythmus“. Was Cesaire beschwört, „übersetzt“ das Quintett mit Odile Sankara, der Schwester des ermordeten Hoffnungsträgers Thomas Sankara in ihrer Mitte, voller Enthusiasmus in packende Szenen voller Bewegung und Kraft.
„Vibrieren“ ist das Wort der ersten Minuten. Links dazu eine Bar aus Brettern, rechts Musikinstrumente, dazwischen der „Vibrations“-Raum. „Es ist das Wort, das mich aufrecht hält“, beschwört Sankara das afrikanische Leben. Persönlich scheinende Bekenntnisse sind eingewoben in Cesaires tiefgründige, oft geheimnisvolle Wort- und Silben-Akrobatik.
„Ein Meer aus Schmerz ist keine Bühne“ hören wir auf Französisch, lesen es auf Deutsch auf den Übertiteln, und das Quintett vibriert dazu in Solo- und Gruppen-Tänzen. Es sind kraftvoll-stampfende Bewegungen. Als sollten sie zeigen, dass „ein einziger Aufschrei zum Aufsteigen vom Grunde“ Bild werden sollte.
Cesaires Texte, deren Sinn sich, in der Rasanz ihrer Umsetzung in Rede und Bewegungen, Tänze und Musik, kaum ganz erschließt, sind und bleiben der rote Faden des Abends. Ein Faden, der den Afrikanern heute die Kraft und den Willen vermitteln soll, selbstbewusst zu handeln und zu leben.
Dabei ist ganz und gar nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Wie im wahren Leben drohen immer wieder Streitigkeiten und Kämpfe. Dann ist es meist der Tanz, der die Situation rettet. Mit den beiden clownesken Musikern Marcel Balbone und Hamidou Batagnon, die dem einstündigen Abend den Pepp mitgeben. Der quirlige Christian Leger Dah und die vor Energie vibrierende Safourata Kabore geben dem zwischen Ruhe und Tanz bestens pendelnden Abend seine ungewöhnliche Kraft und künstlerisch ästhetische Bilder.
„Wann wirst du aufhören, ein Spielzeug zu sein“, klingt es aus der Dichter-Werkstatt. Und das Quintett hebt an zu einem vielversprechenden Mix aus Tanz und Lied, Musik und Rezitation.
Ob Cesaires Dichtung, und sei sie noch so bildreich durch Odile Sankaras Regie in sprechende Szenen „übersetzt“, „das Volk erreicht", also das eigene, in diesem Fall das von Burkina Faso, lässt sich nur erahnen. Für Odile Sankara ist Cesaires „Gedicht-Welt" zwar „sehr hermetisch, aber auch für das Volk verständlich"..´.
Dieser kurze Abend ist jedenfalls einer von denen, die Hoffnung machen, dass Afrika nicht nur „vibriert“, sondern diese „Vibration“ auch in die Wirklichkeit umsetzen könnte.
Großer Applaus nach nur 60 Minuten.