Traces/Spuren im Alte Feuerwache

Tiefer Blick in die verwundete Seele Afrikas

Vieles beim diesjährigen „africologne-festival“ in Köln ist denkwürdig und aller Ehren wert. Und doch ragt ein Abend aus dem Musik-, Film- und Theaterbündel heraus: Er legt Spuren/Traces. Spuren zum erhofften Ziel: Afrika aus der Schmuddelecke, in die die Welt, vor allem die europäische, den schwarzen Kontinent gedrückt hat. Als Sklaven einst in alle Welt verkauft, von vermeintlich „aufgeklärten“ Staaten Europas geknechtet und ausgebeutet, und schließlich selbst von einer eigenen macht- und geldgierigen Politiker-Kaste oft der Selbstbestimmung beraubt.

Spuren ist ein gut einstündiger Monolog sowohl der bitteren Rückschau wie der Hoffnung auf die Zukunft. Beeindruckend ist er vor allem dank des eindringlichen „Spiels“ des großen afrikanischen Schauspielers Etienne Minoungou aus Burkina Faso, Gründer und Leiter des „Festivals Recreatrales“, der den Text von innen her zum Leuchten bringt. Mit einer Wärme und zugleich Poesie, dass sich die Worte des Autors im Zuschauer-Kopf zu eindringlichen Szenen zusammenfinden.

Felwine Sarr hat den Text verfasst. In faszinierenden, sprachlich ebenso eindringlichen wie kunstvollen Volten führt er durch Höhen und Tiefen schwarzafrikanischer Schicksale. Spuren hat Sarr eigens für Minoungou geschrieben. Der wiederum macht aus dessen „Worten“ ein sprachlich-musikalisches Ereignis. 

„Ich habe das Wort erobert“. Sarrs ebenso melancholisch wie selbstbewusst klingender „Discours aux Nations Africaines“ ist, so sehr diese Rede an die afrikanischen Nationen gerichtet ist, vor allem auch ein Appell an die Welt, die den schwarzen Kontinent lange versklavt, in Unmündigkeit gehalten und in die macht- und geldgeilen Arme internationaler Konzerne getrieben hat.

Sarrs Klage und Anklage will zugleich Ansporn für seine schwarzen Landsleute sein. Er beschwört Afrika als Schoß der Menschheit, fügt Bild an Bild, um auf poetisch-realistische Weise die Erde zu loben, die „Ahnfrau“ und damit die Wurzel einer uralten Kultur. Aus ihr erwuchsen erst Familie und Volk, schließlich Nationen, deren Existenz „Zyklone“ bedrohten - und das „Grauen begann“: Versklavung folgte, und schließlich belebten Ausbeuter Afrikas die anderen Kontinente. Eigene Traditionen trockneten aus, Egoismus erfasste schließlich selbst die, die früher von Fremden ausgebeutet worden waren.

Felwine Sarrs Spurensuche führt schließlich ins Licht der Hoffnung, denn „heute erhebt sich Afrika zu neuer alter Kraft“. „Wir waren, wir sind, wir werden wieder sein“, zeigt er sich stolz und selbstbewusst. Zwar „werden wir nicht zu den Quellen zurückkönnen“, verweist er die Sehnsucht nach der Vergangenheit ins Reich falscher „Träume“. „Unsere einzige Schwäche liegt darin, dass wir unsere Kräfte verkennen“.

Es ist ein ebenso packender wie in poetischen Bildern aufblühender großer Text. Minoungou führt ihn zudem in Höhen, dass sowohl Gefühl wie Verstand angerührt und angeregt werden. Die ihn begleitende Live-Musik von Tim Winsey und Simon Winse fügt mal melancholische, mal aufmunternde Töne hinzu. 

Dankbarer Jubel entließ die Musiker, den großen Minoungou - und den nicht weniger überzeugenden Inszenator des Abends, Aristide Tarnagda. Bekannt wurde der vielfach ausgezeichnete Burkinabe als Schauspieler, Dramatiker und Regisseur u.a. durch Einladungen zum „Festival d‘Avignon“ und anderen Festivals.

P.S. Der Autor Felwine Sarr wurde unter anderem dadurch bekannt, dass ihn der französische Präsident Emmanuel Macron zum Experten im Bereich der Rückgabe von Kunstwerken an afrikanische Länder einsetzte.