Übrigens …

Macbett im Globe Theatre Neuss

Alle Einigkeit vernichtet

Macbett und Banquo sind nicht nur Kriegskameraden, sondern auch Golfkumpel. Sie tragen kurze weiße Hosen und weiße Golfhandschuhe, die auch mal zum Puppenspiel genutzt werden können. Wenn man genau hinhört, ist es sogar das folgende Drama in a tiny little nutshell, das die Handschuhpuppen zu Beginn des Abends spielen. - Unterschwellige Aggressivität zeichnet Macbett und Banquo aus: Edler Luxus, kleine Stöße. Noch sind sie vereint im Wunsch, König Duncan zu stürzen. Wenn man Shakespeares Macbeth nicht kennen würde, schiene ihr Ziel nachvollziehbar. Denn als Zuschauer streben wir ja das Gleiche an wie vorgeblich Ionescos Helden: Unabhängigkeit, Autonomie und Freiheit. Die Theatertruppe, die wir heute sehen, kommt aus Polen, und natürlich fragt man sich gleich: Was davon haben die dort eigentlich, und wofür müssen sie noch trickreich kämpfen?

Duncan jedenfalls, so sind sich Banquo und Macbett einig, gewährt nichts von den dreien: Er ist ein Despot, ein Tyrann. Mit gleichen Worten berichten Banquo und Macbett von den Gräueltaten des Königs im Krieg. Mateusz Trzmiel gibt den Banquo und scheint ehrlich entsetzt. Pawel Rutkowski ist Macbett und wiederholt Banquos Worte mit Nachdruck - und wenn nicht alles täuscht, sehen wir auf seinem Gesicht ein verschlagenes Grinsen. Da setzt Regisseur Mateusz Przylecki schon einmal kleine Zeichen. Doch mag man dem Oberbefehlshaber Duncan den grausamen Kriegsherrn durchaus abnehmen, denn als er bald darauf nebst Lady Duncan aus dem grünen Golfhügel steigt wie aus dem Inneren eines Panzers, wirkt seine an den Hügel gelehnte Golftasche wie ein Kanonenrohr. Banquo und Macbett haben jedenfalls längst beschlossen: Der Mann muss weg. Und wenn er endlich weg ist, wollen die beiden Duncans Reich untereinander aufteilen - aus rein altruistischen Motiven, versteht sich: „um den Armen zu helfen und dem Land, das so viel gelitten hat, Frieden zu bringen.“ Wir wissen aus der Geschichte und der internationalen Politik: Wenn man solche Sprüche hört, ist man besser auf der Hut.

Duncan ist sicher nicht der König der Herzen. Bei Rafal Pietrzak wirkt er ein bisschen dümmlich, jedenfalls deutlich einfacher gestrickt als seine sauberen Generäle, die auf seinen Sturz sinnen. Landläufige Interpretationen sehen in Ionescos Macbett einen legitimen Nachfolger von Alfred Jarrys König Ubu, und wenn auch nicht unbedingt die kasperlespielenden Rutkowski und Trzmiel, so weist zumindest Pietrzaks Figur Parallelen zu Jarrys zwar machtbesessenem, aber letztlich feigen König auf: Er sorgt sich weniger um Land und Kriegstaktik als über die Sicherheit und den Komfort seines Exils nach einer eventuellen Flucht infolge einer militärischen Niederlage. Die Rede an seine siegreichen Soldaten (also die Zuschauer im Parkett) muss er sich von seiner Assistentin, dem Golf-Ambiente entsprechend Caddie geheißen, vorsagen lassen. Katarzyna Pietruska spielt jetzt vielleicht auch einen Soldaten, aber wie auch immer: Diese Caddie machte schon von Beginn an einen intelligenten Eindruck - man könnte denken, dass in dieser Frau noch andere Potentiale schlummern…

Das vermutet man von Helena Radzikowskas Lady Duncan erstmal nicht. Aber dass die an Duncans Seite ein wenig doof wirkt, ist nichts als Verstellung und clevere Anpassung an den Intelligenzquotienten ihres Gatten. Sie ist es, die Macbett die Übernahme der Königswürde prophezeit - zwar nicht im Nebel, sondern im Liegestuhl unter der Sonne, aber hätte Macbett seinen Shakespeare gelesen, könnte ihm ein Verdacht kommen: Lady Duncan ist die Hexe, die Shakespeares Macbeth gleich zu Beginn in dreifacher Gestalt begegnet. Hier hat die Hexe die Gestalt der Lady Duncan angenommen, und jetzt wiegelt sie nicht nur Macbett zum Mord an ihrem Gatten, sondern auch die Generäle Macbett und Banquo gegeneinander auf. Auch Banquo nähert sie sich oben ohne, wackelt mit dem Po wie eine Striptease-Tänzerin - und bietet doch sich selbst nebst Königswürde dem Skrupelloseren der beiden an, also Macbett. Der dümmere Herrscher eines Unrechtsregimes wird durch einen clevereren - und wohl auch brutaleren - ersetzt. Banquos Rede auf das neue Königspaar steckt schon voller kleiner rhetorischer Kampfansagen. Macht korrumpiert und bricht Freundschaften.

Aber das muss Macbett niemand sagen. Die ursprüngliche Idee einer brüderlichen Teilung des Reichs zwischen Macbett und Banquo hat dieser eh schon verworfen - falls er sie je ernsthaft verfolgt hat. Beim Teatr Papahema geht jetzt alles schnell. Banquo wird auf der Krönungsfeier betrunken gemacht und anschließend umstandslos umgebracht. Irgendwie schließt die Inszenierung des polnischen Theaters nahtlos an die andere osteuropäische Inszenierung an, die beim diesjährigen Neusser Shakespeare-Festival auf die Bühne kam: Wie bei Shakespeares Richard III. vom Budapester Maladype Theater (siehe hier) schäkert der Fiesling ab und zu mit dem Volk (sprich seinem Publikum). Mehr aber: Unverhohlen wird in beiden Inszenierungen mit Machtgier und Machtmissbrauch kokettiert, und offen werden die Gegner entweder korrumpiert oder ausgeschaltet.

Bei Richard III. aber blieb offen, was für ein Typ Machthaber dem Tyrannen folgt. Bei Macbett gibt es in der Inszenierung von Mateusz Przylecki eine Überraschung. Ganz plötzlich taucht besagte Caddie auf, die intelligente Golftaschenträgerin mit Potential für mehr. Sie trägt jetzt keine Taschen mehr, sondern einen eleganten schwarzen Hosenanzug. Macbett sieht sich erschrocken um und wird vom Wald von Birnam verschluckt. Und Caddie hält eine staatstragende Rede: „Ich werde alle Einigkeit vernichten“, heißt es darin unter anderem. „I found my freedom“, spielt die Musik dazu. Es ist die Freiheit, die die Mächtigen meinen.