Übrigens …

Dantons Tod im Schauspielhaus Düsseldorf

Extrem lauter Volkswillen

Das Düsseldorfer Schauspielhaus eröffnete die Spielzeit 2019/2020 mit Büchners Dantons Tod in dem noch nicht völlig renovierten Haus am Gustaf-Gründgens-Platz - und knüpfte damit den Bogen zur Spielzeiteröffnung 1970. Auch damals wurde in neuer Spielstätte Büchners Drama gespielt. Allerdings unter recht dramatischen Vorzeichen. Krawall vor der Tür, Polizeischutz für die Premierengäste. „Schmeißt die fetten Bonzen raus!“, wurde skandiert.

Armin Petras inszenierte Dantons Tod“ - das Werk entstand 45 Jahre nach der französischen Revolution - unter manchmal zu heftigem Einsatz diverser Theatermittel. Die Handlung setzt an dem Punkt ein, an dem die Utopie von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ zum Terror entartet und die Guillotine der letzte Gleich- und Freimacher ist. Passend hierzu das Bühnenbild, das an eine überdimensional große Guillotine erinnert, die über einer abfallenden Fläche hängt. Es ermöglicht wirkungsvolle Auftritte der Bettler bzw. der verarmten Bürger. Rutschen sie doch von einem oberen Bühnenteil die Rampe zur unteren Spielfläche vorn hinab. Von wo aus sie über die Reichen und Adeligen krakeelen, fehlt es ihnen doch am nötigsten. BROT steht als Projektion an der Wand. Im Laufe des Abends folgen in gleicher Weise weitere Begriffe zur Illustration der jeweiligen Szene. Es ist die Zeit der radikalen Schreckensherrschaft der Republikaner, die Zeit des begnadeten Redners Georg Danton, die Zeit des Juristen Maximilien de Robespierre und seines Chefanklägers St. Just, die die „Tyrannei der Tugend“ organisieren. Die Köpfe rollen, das Volk jubelt und die Stadt ertrinkt in Blut. Jeder ist verdächtig, jeder könnte ein Feind der Revolution sein. Danton, des Geschichtemachens müde, beschließt, sich den Greuelexzessen zu verweigern. Und muss nun auch um sein eigenes Leben fürchten. Büchner schrieb „Dantons Tod“ mit 21, er war ein junger Medizinstudent, der wegen seiner republikanischen Überzeugungen ins Exil nach Straßburg musste.

Petras besetzt Robespierre gleich zweimal: einmal mit Lieke Hoppe (sehr eindrucksvoll und glaubhaft als kühle Stimme der Vernunft), dann gibt es einen Monsieur Robespierre (Chris Eckert gibt ihn verhalten). Alle Mitstreiter von Robespierre sind Frauen: Cathleen Baumann (sehr gut als St.Just),Sophia Schiller, Anna Sophie Friedmann. Georg Danton (Wolfgang Michalek überzeugt als lebensfroher Genussmensch, der des Mordens überdrüssig ist) und seine Gruppe werden von Schauspielern verkörpert: Henning Flüsloh, Kilian Land, Serkan Kaya, Kai Götting. Zufall?
Petras hat verschiedene fremde Texte in den Abend eingebunden, so Antoine de Condorcets „Für die Abschaffung der Sklaverei und des Sklavenhandels“ oder Olympe de Gouges‘ „Die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“. Das macht Sinn, stellt man die Gesellschaft unter verschiedenen Aspekten in Frage. An diesem Abend aber führt es nur zu einer die Aussage des hier verhandelten Dramas nicht erhellenden Verlängerung der gut 3 Stunden dauernden Inszenierung. Die Volksszenen sind zunächst durchaus beeindruckend. Da aber fast nur „revolutionär laut“ gebrüllt wird, stumpft dieses Mittel schnell ab. Ebenso wie wabernde Nebelschwaden über der Bühne oder der großzügige Einsatz von Eimern voll Blut oder roter, blauer oder weißer Farbe. Man genießt ruhige Szenen, so das Treffen von Danton und Robespierre, in dem sie ihre grundsätzlich verschieden Meinung zur Lage diskutieren. Danton entblößt sich im wahrsten Sinne des Wortes, er zieht sich aus, steht schutzlos seinem Feind gegenüber. Beeindruckend die Szene, in der Michalek als Danton die für ihn hoffnungslose Lage reflektiert: „Sie wollen meinen Kopf. Ich mag nicht mehr weiter.“Glaubhaft auch seine Todesangst im Kerker: „Ich kann hier nicht sterben.“
Nach der Pause sehen wir einige kurze Videos, die schlaglichtartig Verhandlungen von Robespierre, St.Just und anderen Mitgliedern des Revolutionstribunals zeigen. Etwas Ruhe nach zu vielen laut gebrüllten Parolen, die Büchners Drama nicht braucht.

Die Schauspieler agieren bis zur Grenze der physischen Belastbarkeit. Bewundernswert? Ja. Nötig? Nein. Nicht non-stop.

Gelungen das Schlussbild: Alle verfallen in Todeszuckungen und liegen dann auf dem Rücken, die Köpfe an der Rampe. Goldenes Licht überflutet die Bühne. Der Vorhang schließt sich.