Übrigens …

Eines langen Tages Reise in die Nacht im Köln, Schauspiel

Tragisches Ende einer Reise

Es gibt sie noch – die großen Bühnenereignisse. Abende, an denen Theater zeigt, was es kann: Erschütterungen bewirken, Faszination für die Menschen auf der Bühne erzeugen. In Köln bewies Luk Perceval zudem, wie aktuell, wie mitreißend Stücke sein können, die vermeintlich der Vergangenheit angehören. Mit einer ebenso kühl sezierenden wie durch emotionale Ausbrüche und vor Stille berstenden Inszenierung von Eugene O’Neills Eines langen Tages Reise in die Nacht am Kölner Schauspiel.

Es ist die Geschichte seines Lebens, denn O‘Neills Drama hat bis in die Feinheiten hinein autobiografische Züge. Mit einer Vaterfigur, die einer Kopie des eigenen Vaters gleichkommt. Was der war, ist der im Stück: ein einstmals berühmter Schauspieler, der Zeit seines vagabundierenden Lebens Frau und beide Söhne im Schlepptau hatte. Ein Leben, das Spuren psychischer Zerstörung hinterlassen, menschliche Abgründe geschaffen hat. Nun hausen sie, James Tyrone (André Jung) und Frau Mary (grandios: Astrid Meyerfeld) zudem Sohn Jamie (Sean McDonagh) und Edmund (Nicolay Sidorrnko) in einer „plüschigen Bruchbude“. Alkoholiker der Papa, ihm gleich Jamie, von Drogen zerstört und psychisch am Rande Mama, und, von Krebs gezeichnet, Edmund.

Dabei beginn es liebevoll, fast idyllisch, auch wenn die „Bruchbude“ ein cinemaskopisch breiter, fast steriler Raum ist. Fünf Zimmer sind nebeneinander gesetzt, einer Film-Sequenz gleich. Grellweiß sind sie, ohne jedes Innenleben und radikal voneinander isoliert. Wer den Raum wechselt, muss das über verborgene Kellerräume und die Rückseite der Zimmer tun. Meist ist freilich jede der vier Personen auf einen, seinen Raum fixiert. Nur selten treffen sie sich. Kaum je sehen sie sich in die Augen. Fremdheit und Distanz, erstorbene Liebe und Einsamkeit sind in grandiose Bilder gefügt. Geister scheinen sie, eine Familie von Untoten, oft nüchtern kommentiert und begleitet, Regieanweisungen gleich, von der Erzählstimme des Dienstmädchens (Maria Schulter).

Grandios, wie Perceval auf der Klaviatur der zwischen Hass und Liebe, Beleidigung und Lebenslügen balancierenden Story spielt. Einsamkeit wird spürbar, Panik bricht sich in überbordenden Ausbrüchen Bahn, die wenig später in sich zusammen sacken. Sie lieben und sie hassen sich.

An einem Theater-Abend, der all das bietet, was Theater vermag: Menschen erleben lassen, die Auge, Ohr und Gefühle des Publikums erreichen. Langer und intensiver Applaus.