Der Raub der Sabinerinner im Mönchengladbach, Theater

„Nur nicht überprobieren!“

Gymnasialprofessor Martin Gollwitz, einer der Honoratioren der kleinen Stadt, hat eine Römertragödie mit dem Titel Der Raub der Sabinerinnen verfasst. Lange musste das Werk ein trübes Dasein im hintersten Winkel einer Schublade fristen. Doch nun ist Frau Gollwitz, die das Theater nicht sonderlich schätzt, mit Tochter Marianne verreist und das Drama findet im Dienstmädchen Rosa eine erste begeisterte Zuhörerin. Als dann noch Emanuel Striese, Direktor einer Wanderbühne, Gollwitz seine Aufwartung macht, steht dem entscheidenden Schritt dieses Stückes auf die Bühne scheinbar nichts mehr im Wege. Käme da nicht die Gattin nebst Tochter verfrüht nach Hause zurück, und hätte nicht…. und würde nicht….

Thomas Goritzki, Schauspieler und Regisseur, inszenierte diese Komödie in vier Akten am Theater Mönchengladbach auf höchst erfrischende Art. Was ihn an diesem Werk besonders reizte, war, dass ein verheirateter Mann seiner Leidenschaft – der Liebe zum Theater – nur nachgehen kann, wenn die Gattin für längere Zeit aus dem Haus ist. Goritzki: „Er betrügt seine Frau mit dem Theater.“ Nicht schlimm? Goritzki spricht davon, „dass hier die Erotik des Theaters als das Gefährliche in Erscheinung tritt“, verbunden mit der Angst vor dem Verfall bürgerlicher Werte. Handelt es sich hier doch um fahrendes Volk, das den braven Bürgern suspekt ist.

 Der Abend beginnt äußerst schmissig. Auf die überwiegend leere Bühne – wir sehen nur zwei Türrahmen, einen Garderobenständer und zwei Porträtgemälde – fährt ein VW-Bus. D.h. die Busattrappe wird von den Mitgliedern der Wandertheatertruppe hereingetragen. Sie packen dann auch gleich ihre Requisiten aus und richten sich auf der Bühne ein, unterstützt von den Bühnenarbeitern. So entsteht vor unseren Augen das großbürgerliche Wohnzimmer des Herrn Professor. Der Theaterdirektor Striese – absolut grandios komisch, aber auch sehr facettenreich: Michael Grosse, der Generalintendant . stellt dem Publikum seine Truppe vor und lobt das Theater, in dem man sich sofort wohl fühle. Es wird bei der rasanten Inszenierung kein Klischee, kein Gag ausgelassen. So zum Beispiel gibt es das aus Dinner for one sattsam bekannte Fell (hier ein Eisbärfell, nicht das bekannte Tigerfell) auf dem Boden, über dessen Kopf sich so trefflich stolpern lässt. Ein Papagei plappert alles nervtötend nach. Ständig fliegen die Türen, um Personen auf- und abtreten zu lassen. Aber alles passt hier bestens. Die Rollen sind trefflich besetzt. Michael Ophelders gibt den Professor, der der Versuchung, sein Stück auf der Bühne zu sehen, nicht widerstehen kann. Seine moralinsaure, gutbürgerliche Gattin wird herrlich von Esther Keil gespielt. Sie betrachtet die Theaterwelt als etwas Bedrohliches, nicht Fassbares. Tochter Marianne (Janinnike Schubert), Ehefrau des zuweilen leicht verpeilten Dr. Leopold Neumeister (Paul Steinbach), und Tochter Paula (Vera Maria Schmidt) ergänzen die bürgerliche Familie. Paula verliebt sich natürlich in den feschen Emil Groß (Philipp Sommer), der zwischen Schauspielerei und bürgerlichem Leben schwankt. Eva Spott ist Rosa, immer und überall dabei, stets eine Lanze für das Theater brechend. Und unzweifelhaft im Zentrum: Michael Grosse als Striese, der so herrlich sächseln kann und jedes komödiantische Register beherrscht. Bewegend sein Monolog über die Schmiere, ein Liebesbekenntnis zum Theater. Höchst amüsant seine trockenen Anmerkungen zu praktischen Aspekten des Lebens einer Wanderbühne, wo es immer darum geht, flexibel zu sein, so: „Raus aus den Trikots, rein in die Tunika.“

Es ist eine Komödie. Natürlich gibt es ein Happy End und man bedauert fast, dass dieser Abend schon vorbei ist. Herzlicher, absolut verdienter Applaus.