Übrigens …

The Treasure/Der Schatz im Schauspielhaus Düsseldorf

Grab nicht woanders, grab in dir

Die kleine Studiobühne ist weiß ausgeschlagen: die Wände, der Boden. Wahllos verteilt darauf drei altmodische Koffer. Aus dem Back ertönt dunkler Elektropop und drei seltsame Gestalten schieben sich mit rhythmischen Bewegungen auf die Bühne. In bodenlangen Capes, rot, schwarz und beige, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, umtanzen sie die Koffer, scheinen sich zu streiten, dann wieder einander zu helfen, sich zu bedrängen und dann doch zueinanderzufinden. Eine Szene zwischen Tanz und Pantomime, wunderbar gestaltet von der einstigen Pina-Bausch-Tänzerin Chrystel Guillebeaud, die mit ihrer Choreografie die Aufführung in Phasen zu einem Tanzabend werden lässt. Unter den anonymisierenden Capes schälen sich drei junge Menschen aus drei Kontinenten heraus, die sich aufmachten, ihren ganz eigen Schatz zu finden. Es sind der höchst komödiantische Japaner Ryo Haradi, die Brasilianerin Elisa Reichmann de Almeida und Marie Jensen aus Deutschland, die auf ihrer Schatzsuche ganz offensichtlich hier an einem Flughafen irgendwo in der Welt strandeten und festgehalten werden, da man ihre Pässe für „kontaminiert“ erklärt. Unter ratternden Maschinenschreibgeräuschen erscheint in großen Lettern die Projektion der Anweisungen des Wachpersonals auf der weißen Wand: You are stopped! Und dann die Frage: Wo willst du hin und warum?

Eingeschlossen in dem Kontrollraum entfalten sich Träume und Alpträume, Wünsche und Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste der drei zufällig zusammengepferchten jungen Menschen. Während bei der gegenseitigen Annäherung zunächst nur Klischees zitiert werden - für Japan steht die devote Verneigung, für Brasilien Tanz und für Deutschland das Brav-Sein -, brechen im Laufe der Zeit tiefe Wunden auf. Der Holocaust, die Abholzung des Regenwaldes und die Katastrophe von Fukushima werden thematisiert und mal in akrobatischen Tänzen, mal in Schattenspielen oder traurigen Liedern reflektiert. Dazu werden Fetzen von authentischen Radioberichten eingespielt. Die minimalen Texte erscheinen jeweils in allen drei Sprachen groß auf der Projektionswand oder werden von der deutschen Darstellerin nachgesprochen. Dazu immer wieder unter die Haut gehender Elektropop. Bei der Schatzsuche in den verwaisten, uralten Koffern kommen bizarre Klamotten von annodazumal zum Vorschein, dann aber auch unheimliche Gasmasken mit denen ein gespenstiger Tanz beginnt.

Am Ende hocken die Drei beieinander, singen gemeinsam, fordern Freiheit und stimmen mit Marie ein in die Erkenntnis: “…ich glaube daran, dass etwas in mir steckt, das ich noch nicht kenne.“

Zu dem sparsamen Text ließ sich der Autor Amauri Faseti durch die Parabel „Der Schatz unter der Brücke“ des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber inspirieren. Auch dort geht es um eine Schatzsuche: der Rabbi Eisik träumt von einem Schatz unter einer fernen Brücke. Den zu finden bricht er auf, gräbt vergeblich, kehrt zurück, reicher um die Erkenntnis: Grab nicht woanders, grab bei dir, denn der Ort, an dem man steht, birgt den Schatz.

Zur Planung dieses internationalen Projektes zwischen Sao Paulo, Tokio und Düsseldorf kam es 2017 beim Assitej-Weltkongress in Südafrika. Tatsächlich gelang es dem Brasilianer Faseti gemeinsam mit dem japanischen Regisseur Kenjiro Otani und der Choreografin Crystel Guillebeaud eine übernationale künstlerische Sprache für ein Werk zu finden, dass die drei Künstler*innen überzeugend auf die Bühne bringen.

In Sao Paulo wurde das Stück bereits im September gespielt und wird nach Düsseldorf auch in Tokio gezeigt.