Kriegseinsichten
Maya Arad Yasur, 1976 in der Nähe von Tel Aviv geboren, bezeichnet sich selbst als „israelische Frau und deutsche Dramatikerin“, unterscheidet sie doch – nach der Kurzgeschichte „Borges und ich“ von Jorge Luis Borges – zwischen sich als Person und sich als Schriftstellerin. Yasur studierte an der Universität Amsterdam. Ihre Stücke werden heute überall in Europa, in Israel und in den USA aufgeführt. Am Schauspiel Köln kam jetzt die Uraufführung von BOMB in der Regie von Lily Sykes heraus.
Maya Arad Yasur befasst sich in BOMB, einem mehr collageartigen Text aus drei Erzählsträngen, die an ausgewählten Punkten zusammenlaufen, mit dem Thema Krieg und der Beziehung zwischen Krieg und Kunst. Mitten auf der Bühne steht eine Art Insel mit einem Baum. Oder ist es ein Atompilz? Sie ist kreisförmig umstellt mit weißen Plastikhockern. Drei Schauspielerinnen und drei Schauspieler – alle in Kostümen, die an Militärtarnkleidung erinnern - , alle mit langem Haar, das zu einem herabhängendem Pferdeschwanz gebunden ist, erzählen unentwegt Geschichten, listen Beobachtungen auf, singen Lieder. Geschichten vom Krieg. Und sie beschreiben die Performance einer Künstlerin, Naomi, auf irgendeiner Biennale.
Yasud lässt den Abend mit diesen Beobachtungen beginnen, geht es ihr besonders um die „künstlerische Repräsentation von krieg und Trauma in der westlichen Kunstwelt“. Welche Verantwortung hat Kunst im Kontext mit Krieg? Naomis Performance wird nicht auf der Bühne dargestellt, sondern läuft vor unserem geistigen Auge ab, wenn wir den Beobachtungen der Besucher der Biennale zuhören. Sie sitzt in einem Glaskasten und reißt sich nach und nach ihre langen, schwarzen Haare aus, die sie mit Wachs an ihre Arme klebt, so dass sie wie schwarze Flügel aussehen. „Ich bin Ikarus“, so der Titel der Performance. Es werden Spekulationen zu den Kindheitserinnerungen dieser Frau geäußert. Die sechs Akteure beginnen, Geschichten um Naomi und einen nicht näher verorteten Krieg zu erzählen. Oft in drastischen Bildern dargestellt, immer wieder mit dramatischen Höhepunkten. Zum Teil unterbrochen, dann wieder aufgenommen und weitergesponnen. Da ist Eatherly, ein Kampfpilot, „der Gott der Maschine“, erregt, wenn er im Flug die Sonne einholt, glücklich, wenn er im Flug auf das irdische Leben herabschaut. Bis er eine Bombe über einer Schule abwerfen soll und sein Gewissen sich meldet: 2Man richtet sein Visier nicht auf eine Schule.“
Maya Arad Yasur untersucht in BOMB die blinden Beziehungen zwischen den Bombardierenden und den Bombardierten bzw. den Folgen für die Zivilopfer. Im Falle von Eatherly wurde sie durch eine wahre Begebenheit inspiriert. 1982 weigerte sich der israelische Pilot Hagai Tamur, ein Gebäude im Libanon zu bombardieren.
Da ist ferner der Junge, der mit seinem Vater, einem Fotografen, in die Wüste geht, um Klippschliefer zu fotografieren, und miterlebt, wie dieser durch eine Bombe getötet wird.
Musik begleitet den Abend stimmig, intensiviert zuweilen die Spannung, dann wieder vermittelt sie andere Emotionen als der gesprochene Text.
Die dritte Geschichte ist die von Naomis Vater, einem Panzerfahrer. Er kommt aus dem Krieg zurück und hat den versehentlichen Beschuss der Bodentruppe durch die eigene Luftwaffe überlebt. Aber er hat sich verändert. Er ist nicht mehr in der Lage, Liebe zu empfinden oder zu geben.
Ab und zu werden reale Kriegsschauplätze erwähnt, aber nicht konkret den Geschichten zugeordnet. Viele Aussagen werden gleich wieder in Frage gestellt. Zum Beispiel: gibt es Terroristen in der Schule, die Eatherly bombardieren soll, oder nur Kinder? Was ist Vorstellung, was Realität?
Was nimmt man aus diesem Abend mit nach Hause? Dass Krieg an sich verwerflich ist: „Etwas ist abgefuckt an diesem Krieg, ja. Und niemand ist sich überhaupt sicher, worum dieser ganze Krieg geht.“ Diese Aussage ist enorm wichtig und richtig. Sie kann nicht oft genug wiederholt werden. Dennoch bleibt sie seltsam abstrakt an diesem Abend.
Ein Lob dem sehr spielfreudigen Ensemble: Nikolaus Benda, Campbell Caspary, Laura Friedmann, Justus Maier, Birgit Walter und Ines Marie Westernströer.