Die Liebe trotzt den Marktgesetzen
1931 erschien Hans Falladas Roman Kleiner Mann, was nun?, in dem die Geschichte des jungen Paares Lämmchen und Pinneberg erzählt wird. Unerwartet kündigt sich Nachwuchs an und der „Murkel“, da sind sich die beiden einig, „soll nichts auszustehen haben“. Doch das Leben ist hart, die Wirtschaft liegt danieder und Arbeitsplätze sind rar. Pinneberg verliert seinen Job in der Provinz. Das junge Paar setzt alles auf eine Karte und zieht nach Berlin - in der Hoffnung, bei Pinnebergs extravaganter Mutter Unterkunft und Arbeit zu finden. Die Erzählung kreist um die beiden und ihren trotzigen Kampf. Ihr kleines Glück in Zeiten von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Abstieg gegen alle Härten des Lebens zu verteidigen.
Die Bühnenfassung von Regisseur Thomas Ladwig und Dramaturgin Vera Ring stellt die Liebe von Emma Mörschel, genannt Lämmchen, und Johannes Pinneberg daher in den Mittelpunkt und bezieht das wirtschaftlich-soziale Umfeld und den aufsteigenden Nationalsozialismus weniger ein. Wir begleiten das junge Paar von dem Moment an, wo Emma Johannes mitteilt, sie sei schwanger. Wir erleben ihre Heirat und Pinnebergs erste Kündigung, den Umzug nach Berlin, die problematische Beziehung zu seiner Mutter, den Leistungsdruck für den Verkäufer Pinneberg in Mandels Warenhaus und letztlich seinen Rauswurf.
Silvia Weiskopf ist ein mutiges, selbstbewusstes, manchmal auch humorvolles Lämmchen, eine starke Frau trotz aller Widrigkeiten. Immer wieder macht sie ihrem „Jungen“, wie sie Johannes nennt, Mut und richtet ihn auf. Nichts kann sie für längere Zeit entmutigen. Stefan Migge verkörpert glaubwürdig Johannes Pinneberg, der einerseits mit zärtlicher Liebe an seiner Frau hängt, andererseits aber immer gereizter und ungerechter wird, häufen sich doch trotz aller Bemühungen Fehlschläge und Misserfolge. Trotzig versuchen Pinneberg und Lämmchen, ihr kleines Glück gegen alle Widrigkeiten des Lebens zu verteidigen. So fühlen sie sich auch in bescheidensten Wohnungen zuhause, sind sie doch zusammen.
Hier wäre auf das äußerst variable Bühnenbild zu verweisen, das mit wenigen Veränderungen unterschiedlichste Räumlichkeiten darstellt: die verschiedenen, immer bescheidenen Wohnungen des jungen Paares, die Herrenabteilung im Kaufhaus Mandel oder das protzige Schafzimmer im Haus von Mutter Pinneberg. Ines Krug gibt sie köstlich als Femme fatale mit roten, langen Locken, einem roten Kleid und einer Fuchsstola. Jan Pröhl ist ihr sehr fideler Liebhaber Jachmann, der dem jungen Paar aber auch ab und an, wohl nicht ganz uneigennützig, unter die Arme greift. Pröhl spielt auch den fiesen Unternehmer Kleinholz, immer im Tweedjackett und einem Glas mit Cognac in der Hand unterwegs. Das spielfreudige Ensemble glänzt häufig in mehreren Rollen: so Jens Winterstein, Stefan Diekmann, Lene Dax, Olga Prokot und Philipp Noack.
Es wird viel erzählt an diesem sehenswerten Abend, getreu dem Roman, der sich aber Zeit für die stillen Momente nimmt.