Diktatorengattinnen im Ruhestand
Ursprünglich dachte das um hochkarätige Gastspiele nicht verlegene Gütersloher Stadttheater mit Theresia Walsers bei den letzten Salzburger Festspielen in Koproduktion mit dem Schauspiel der Stuttgarter Staatstheater uraufgeführten Die Empörten aufzuwarten. Nach allem, was Kolleginnen und Kollegen von der Salzach berichteten, befanden sich aber weder das Stück um kommunalpolitische Machenschaften im Zeichen populistischer Hetze noch die Produktion in tatsächlich präsentabler Verfassung. „Künstlerische und dispositorische Gründe“ veranlassten daher den Regisseur der Empörten und zugleich Stuttgarter Schauspielintendanten Burkhard C. Kosminski, die Inszenierung nicht in die württembergische Kapitale zu übernehmen. Für Nachbesserungen sei der Theaterbetrieb zu eng getaktet, überdies die Gäste mit Caroline Peters an deren Spitze nicht verfügbar. Statt einer Novität führen daher die Stuttgarter bei ihrem Abstecher nach Ostwestfalen Walsers Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel mit sich. Das ist die fraglos sichere Bank. Denn das bewährte Stück aus dem Jahr 2013 um die im Vorfeld einer Pressekonferenz anlässlich der Verfilmung ihrer Biographien einander begegnenden Machthabergattinnen Imelda Marcos, Margot Honecker und Leila Trabelsi, letztere dem tunesischen Ex-Diktator Ben Ali angetraut, versammelt die durch ihren Sinn für gesellschaftliche und politische Bizarrerien und Screwball-Effekte bezeichneten Vorzüge der Autorin. Und so liefert Burkhard C. Kosminski, der vor Zeiten das Werk am Mannheimer Nationaltheater aus der Taufe hob, auch für das Stuttgarter Schauspiel jenes Boulevard-Theater für ein bildungsbürgerliches Publikum, auf das sich die Autorin und ihr Regisseur glänzend verstehen. Walsers zahlreiche sarkastische Steilvorlagen verwandelt Kosminski in kabarettreife Volltreffer. Die drei Mittäterinnen ihrer Gewalthabergatten zeigen sich in den Unterschieden ihrer Milieus trefflich umrissen. Nicht anders in ihrem Einverständnis mit der Sicht aufs Volk als Jubel- und Verfügungsmasse und maßloser Vernarrtheit ins Selbst. Auf solchem Fond genügen Florian Etti für die Bühne ein roter Vorhang im Hintergrund, der sich bald zur fiktiven Weltpresse, zum tatsächlichen Auditorium aber niemals öffnen wird sowie die für das Format üblichen Sessel, um die räumlichen Voraussetzungen für brillantes Schauspielertheater zu schaffen, die dann auch virtuos genutzt werden. Imelda Marcos wird von Anke Schubert als vermeintlich schönheitstrunkene, in Wahrheit sentimentalitätsbesoffene Möchtegernoperndiva gegeben, deren Präpotenz sich wahrlich nur von der Bühne her ertragen lässt. Christiane Roßbach gießt Margot Honecker in die Form der stahlharten Lady. Agitprop und stalinistische Parolen der einstigen DDR-Ministerin für Volksbildung verwandelt Roßbach freilich wie unter der Hand immerfort in Kippfiguren. Paula Skorupa verleiht Leila Trabelsi bieder-brave und poetisch ambitionierte, aber talentfreie Attitüde. Dank Skorupas Mordsröhre kann aber das Biederfrauenimage umstandslos in Ordinäre umschlagen. Einziger Mann im Stück ist der die selbstverliebten Einlassungen der Gewalthabergattinnen meist frei und nicht selten kommentierend übersetzende Simultandolmetscher Gottfried. Sven Prietz zeigt, wie dem Sprachdienstleister aller Anstrengung zutrotz misslingt, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.