Alles nur ein Irrtum
Chlestakow ist ein kleiner Moskauer Beamter, der nicht fleißig an seiner Karriere bastelt, sondern sein Gehalt verprasst und auf zu großem Fuße lebt. Und jetzt hängt er fest in einem Hotel einer kleinen Stadt in der russischen Provinz. Gut, dass deren Honoratioren ihn für den bereits angekündigten Revisor der Zentralregierung halten. Sie beginnen ihn zu umgarnen, und natürlich mit Geld und gutem Essen zu schmieren, um von ihren Verfehlungen abzulenken. Denn sie pressen schon seit Jahren ihre Stadt aus wie eine Zitrone. Da hat Chlestakow Glück, denn die Verwechslung spült Geld in seine leere Kasse. Er wäre dumm, den Irrtum zu bereinigen.
Nikolai Gogols Der Revisor spielt im russischen Zarenreich. Und doch finden sich Spuren dreisten Betruges, von Obrigkeitshörigkeit und Ausplündern öffentlicher Kassen auch ganz aktuell bei uns - genug Berührungspunkte also, dass die Komödie auch heute noch ihre Wirkung entfalten kann. Zumal ihr John von Düffel eine klare, zeitgemäße Sprache gibt, die dennoch die Verortung im zaristischen Russland nicht verleugnet.
Meinhard Zanger und sein Regieteam verlegen die russische Provinz nach Westfalen. Dazu baut Olga Lageda den münsterschen Prinzipalmarkt auf den Hintergrund der Bühne und es gibt im Text ein paar Einsprengsel mit Lokalkolorit, die für Heiterkeit sorgen. Sechs Türen prägen das Bild, drei rechts, drei links. Sie bieten Raum für schwungvolle, häufige markante Auf- und Abgänge. Und diese Möglichkeit wird reichlich genutzt. Denn Zanger inszeniert den Revisor nicht als geschliffenes Lustspiel, sondern mehr wie eine pralle Groteske. Die Figuren kommen in bunten Kostümen mit karikaturhaft überzeichneten exaltierten körperlichen Proportionen daher. Und genauso agieren, kommunizieren sie auch. Die Witze - eher derb als fein - tragen den Abend eine ganze Weile. Doch irgendwann haben sie sich abgenutzt, auch Dauergags zünden nicht mehr und das ganze Stück hallt weniger im Publikum nach.
Dafür kann das vorzüglich agierende Ensemble nichts. Markus Hennes ist ebenso schlitzohrig als vermeintlicher Revisor wie sein Gegenüber Jürgen Lorenzen als Stadthauptmann. Monika Hess-Zanger glänzt als gerissener Diener Ossip und Johannes Langer und Florian Bender als Beamte jeglicher Couleur - Bender besonders als greiser Richter und Langer als eingeschnappter Dobtschinski. Ivana Langmajer als Frau des Stadthauptmanns ist einem Seitensprung mit dem Revisor nicht abgeneigt. Und Rosana Cleve als dessen Tochter flirtet auf Teufel komm‘ raus, muss aber einige Male zu oft mit dem überbreiten Reifrock in der Tür stecken bleiben.
Das Publikum applaudiert dem gesamten Team freundlich, aber so ganz sprang der Funke nicht über.