Revolt. She Said. Revolt Again. im Düsseldorf, Seebühne am Schwanenspiegel

Ob Schokoriegel Frauen glücklich machen?

Revolutioniere die Sprache! Drehe sie um!“, skandieren Fiona Metscher, Franziska Schmitz, Lisa Sophie Kusz und Mirka Ritter. Tatsächlich geht es in Alice Birchs feministischem Manifest Revolt. She Said. Revolt Again. in weiten Teilen um die Funktion der Sprache als Unterdrückungsinstrument. Die für die Inszenierung am Freien Werkstatt Theater Köln verantwortlichen Schwestern Sophie und Thalia Killer haben das Stück ausschließlich mit Frauen besetzt. Ein geschickter Schachzug, denn auch, wenn man später aufgrund von Intonation und Körperhaltung durchaus erahnen kann, ob da gerade ein Mann oder eine Frau spricht, führt dieses Besetzungskonzept erst einmal zu produktiver Verwirrung: Wer ist es, der da so ungeheuer direkt auf das andere Geschlecht losgeht? („Ich möchte dich vögeln“ ist noch einer der höflicheren Anträge auf einen ordentlichen One-Night-Stand.) Wer ist das, der da sexuelles Begehren so fordernd, fast schon orgasmisch äußert? Ist es Mann oder Frau? Und wenn es Frau ist: Geht es um heterosexuelle oder um lesbische Beziehungen?

Was man gleich begreift, ist, dass da ein paar selbstbewusste Frauen die Sprache umdrehen, eine Rollenumkehrung versuchen, die Initiative bei der Anbahnung einer sexuellen Beziehung übernehmen. Dabei werden sowohl romantische als auch aggressive Situationen durchdekliniert. Tatsächlich ist - bei aller Eindimensionalität des Stoffs, unter der wir in den 70 Minuten der beim Düsseldorfer Asphalt Festival notgedrungen gespielten Corona-Version der Aufführung zu leiden haben werden - die Sprache die Stärke dieser Aufführung. Die vier kraftvollen Darstellerinnen bringen sie mit großem Witz zur Geltung: burschikos und aggressiv, zögerlich und skrupulös, erotisch und vulgär sowie mit lustvollem Vergnügen an der Übertreibung. Dem oder der einen oder anderen mag dieser erste Teil des Abends manchmal allzu vulgär geraten sein - nun ja, so ist das halt, wenn plötzlich die Frauen die Macho-Rolle übernehmen. Wieso werden Ferkeleien bei Männern eigentlich eher akzeptiert? Frauen können sie viel witziger anwenden…

Im zweiten der vier Teile des Abends geht es um eine der Mehrheit des Publikums vermutlich viel vertrautere Situation: um die Arbeitswelt im Allgemeinen und die Bewerbungssituation im Besonderen. Die Unterwürfigkeit der Bewerberin, ihr Insistieren auf dem freien Montag, an dem sie mit den Hunden durch romantische Landschaften spazieren gehen möchte, mündet in einer selbstironischen feministischen Befreiungsszene und einem etwas absurden Ende, an dem die Zustimmung der Frauen zum Konzept des Arbeitgebers mit Schokoriegeln, die „Frauen glücklich machen“, zu erkaufen versucht wird. Die etwas längliche Szene läuft irgendwann ins Leere - und bei aller Liebe: die Frage im Bewerbungsgespräch nach geplanten Schwangerschaften, rechtlich längst verboten, gehört doch schon seit vielen Jahrzehnten auf den Müllhaufen der Geschichte und dürfte dem Recruitment Officer allenfalls noch in unbedarften Kleinstbetrieben unterlaufen.

Das Problem der Szenen vom Arbeitsmarkt ist dennoch ihre allzu große Realitätsnähe und der daraus resultierende Mangel an kabarettistischem Witz und Wut. Ganz anders kommt das dritte Kapitel daher. Es behandelt eine Kundenbeschwerde. Geschickt gelingt der Spannungsaufbau, bis man begreift, was der Grund für die Empörung ist: In einem Gang des Supermarkts liegt eine Frau, die sich - wohl als Ausdruck feministischen Protests - das Kleid über ihren Kopf gezogen hat. Dass sie ausgerechnet bei den Melonen liegt, soll vielleicht Macho-Phantasien beim männlichen Publikum wecken, doch falls jemand bei der Schilderung irgendwelchen erotischen Gedanken erlegen sein sollte, wird er bald eines Besseren belehrt: Lisa Sophie Kusz sorgt für den schauspielerisch-kabarettistischen Höhepunkt des Abends, wenn sie den Anblick des schwabbeligen Fettbergs, des „zerklüfteten Bergmassivs“ aus weiblichem Fleisch schildert, das sich da in Gang 7 ausbreitet. Kusz steigert sich zu einem gewaltigen Crescendo und Alice Birchs Sprache schwingt sich in einsame Höhen der Beschreibung unappetitlicher Leiber auf. Doch wir sind in einem feministischen Stück und nicht in einer Polemik gegen Bulimie und Fresssucht. Unter dem Druck der Schönheitserwartungen gedeihen Depressionen mit autoaggressiven Selbstverletzungen.

Aus der Szene in Gang 7 findet die Inszenierung den Weg zurück zur Auftaktsequenz. „Leg dich hin und werde verfügbar!“, rufen die vier Darstellerinnen im Chor. Und setzen der vermeintlichen patriarchalischen Erwartung der permanenten Verfügbarkeit des weiblichen Körpers eine Ermutigung für alle noch unterordnungsbereiten Frauen entgegen: „Dein Körper ist unbezwingbar!“ - Das wissen die Verständigen aber. Insofern sagt uns das feministische Manifest mit seinem Aufruf zur Gendergerechtigkeit nicht allzu viel Neues. Dennoch bringen die tollen Darstellerinnen Birchs Text über Rollenbilder, Übergriffigkeiten und Revolten in der Sexualität, auf dem Arbeitsmarkt und im Alltagsleben mit ihrer Wut und ihrem Witz, ihrer Aggressivität und ihrer Selbstironie überzeugend auf die Bühne - kraftvoll, aber nicht mit der Verbissenheit mancher #MeToo-Debatte.