Übrigens …

Ein Bericht für eine Akademie im Schauspielhaus Düsseldorf

Uneingeschränkte Anpassung als Überlebensstrategie

Der Affe Rotpeter wird in seiner westafrikanischen Heimat angeschossen und per Schiff nach Europa gebracht. Im engen Käfig unter Deck erkennt er, dass eine Flucht unmöglich ist und nur eine uneingeschränkte Anpassung an seine menschlichen Vorbilder als Ausweg bleibt.

Franz Kafkas Erzählung Ein Bericht für eine Akademie wurde erstmalig 1917 in der Zeitschrift „Der Jude“ veröffentlicht. Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs und der Kriegswirtschaft. Die Hamburger Firma Carl Hagenbeck wächst zu einem Tierhandel-Imperium heran, da die Nachfrage an kriegstauglichen Reit- und Lasttieren groß ist. Kamerun wird Ende des 19. Jahrhunderts deutsche Kolonie. Bald wird Europa von einem „Affenfieber“ erfasst, Schimpansen sind für nur 500 Mark zu haben.

Kafkas Monolog war nicht für die dramatische Präsentation gedacht. Umso größer die Versuchung für einen grandiosen Schauspieler wie Kilian Land in der Düsseldorfer Inszenierung, seinem Publikum diesen subtilen Text als äffischen Spiegel vorzuhalten. Was ihm in der szenischen Einrichtung von Roger Vontobel hervorragend gelingt.

Ein graues, sparsam beleuchtetes Rechteck ist die Spielfläche im Kleinen Haus; ein Stuhl; ein Mikrofon und einige wenige Flaschen die Requisiten. Land kommt zögerlich herein, ein junger Mann in weißem Hemd, dunkler Hose und Jacke. Am Halsausschnitt, an den Ärmeln und unter der zu kurzen Hose schaut braunes Fell hervor, Indiz für die äffische Herkunft. Ebenso wie die für Schimpansen typischen Bewegungen wie Armschlenkern und leicht nach vorn gebeugtem Gang. Ab und zu gibt Land auch sehr authentisch klingende kreischende Schimpansenlaute von sich.

Seinen Bericht, wie er - um dem engen Käfig an Bord zu entkommen - beginnt, die Besatzung nachzuahmen, zu rauchen, auszuspucken, Schnaps zu trinken, illustriert er, indem er einzelne Szenen nachspielt. Zuweilen wird dabei sein Schatten übergroß an die Rückwand der Bühne geworfen, was das Bedrohliche der Situation und seinen Schmerz eindrücklich verdeutlicht: „Affen gehören bei Hagenbeck an die Kistenwand.“ Dazu springt er im flackernden Scheinwerferlicht hin und her. Glaubhaft, wie er die Menschen auf dem Schiff, die er als primitive Wesen betrachtet, aus seiner Perspektive beschreibt. Und doch letztlich erkennt: nur die uneingeschränkte Anpassung an die menschlichen Vorbilder kann ihn retten. Jegliche Flucht ist unmöglich. Wobei es - so Rotpeter - „so leicht war, diese Menschen nachzuahmen“. Obwohl er sich zunächst überwinden muss, den ihm widerlichen Schnaps zu trinken, gelingt es ihm endlich, „wie ein „Trinker vom Fach“ aufzutreten. So findet er - gegen seine eigene Natur handelnd - Anerkennung und als Varieté-Künstler Eingang in die menschliche Gesellschaft und somit eine Existenzsicherheit: „Ich hatte keinen anderen Weg, immer vorausgesetzt, dass  nicht die Freiheit zu wählen war“.

Kilian Land als Rotpeter berichtet sehr berührend, aber auch spannend, wie er lernte, seine äffische Identität zu unterdrücken, um in der zivilisatorischen und kulturellen Ordnung zu überleben.

Ein sehr eindrucksvoller Abend, der berührt. Eine großartige schauspielerische Leistung, die zu recht mit langem Applaus honoriert wurde.