Der Teufel und die Korruption
Im Dunkel der Kölner „Bauturm“-Bühne leuchtet hell ein Globus. Kommt da etwa die ganze Welt ins Bild? Wenig später wird die Stille des Raums grell durchbrochen, und aus dem Bühnenboden drängt eine in tiefes Rot getauchte, an einen Teufel erinnernde Figur nach oben. Wird sie, wird Luzifer, der Lichtträger, mehr Klarheit in diese Welt bringen?
Wer Nicolai Gogols Komödie Der Revisor kennt, ahnt das Kommende. Luzifer wird zwar die Korruptheit, die Verlogenheit und Falschheit der Menschen bloßlegen. Doch bleibt letztlich alles beim Alten: Der, wie sich herausstellt, falsche Revisor hat sich, von allen umschmeichelt und bestochen, kaum aus dem Staub gemacht, da taucht der richtige, der echte auf. Nun sind Schrecken und Verwirrung umso nachhaltiger.
Gogols Stück von 1836, das bereits zu seinen Lebzeiten das Publikum gespalten hat, ist eine schonungslose Abrechnung mit der alle Schichten der Bevölkerung durchziehenden Korruption.
Ein Brief versetzt die Honoratioren des kleinen russischen Provinznestes in helle Aufregung: Ein Revisor aus Sankt Petersburg soll auf dem Weg in die Stadt sein, in der der ebenso ehrgeizige wie schleimige Stadthauptmann Dmuchanowski die Fäden zieht. Natürlich zu seinem und seiner Familie Vorteil. Und all derer, die mit ihm unter einer Decke stecken - also alle. Der Schreck sitzt tief und steigert sich, als der vermeintliche Regierungsvertreter wirklich auftaucht.
Doch den sie für den echten, den erwarteten halten und vor dem sie in die Knie gehen, ihn mit Geld zu bestechen versuchen, ist in Wirklichkeit ein ganz kleines Licht. Mittellos, frech, anbiedernd tritt er auf. Schmieren ihm doch alle Sahne um den veritablen Bart. Der Stadthauptmann ist sogar bereit, beide Augen zuzudrücken, als sich Chlestakow, der sich zunehmend seiner komfortablen Situation bewusst wird, dessen Frau und Tochter nachstellt. Töchterchen Marja wird ihm gar als Ehefrau versprochen. Doch da wird freilich selbst diesem grandios agierenden Schnösel das Parkett zu heiß - und er verschwindet auf Nimmerwiedersehen.
Es ist eine bitterböse Satire, die im „Bauturm“, in der Inszenierung von Sebastian Kreyer, derart fetzig, ja turbulent daherkommt, dass man den bitteren Ernst hinter der Story leicht verdrängen kann. Da ist Marc Fischer, der dem Stadthauptmann derartig verdrehte mimische wie körperliche Gewandtheit auf seinem korrupt-verlogenen Weg mitgibt, dass einen schaudert. Jede seiner Bewegungen ist Ausdruck seelischer Windungen. Und wenn der Regisseur des Abends als Schjehmil auftaucht, kann einem das Lachen auch schon mal im Halse stecken bleiben.
Beide sind ein Paar, das fast vergessen lässt, dass Der Revisor eigentlich eine ganze Stadt und ihre Bewohner ins Spiel bringt. Mit Polizisten, Gutsbesitzern und einfachem Volk. Sie alle sind in Gogols Welt versaut und korrupt. Diese Mischpoke dazu zu bringen, sich der Lächerlichkeit preiszugeben und sich zugleich selbst als Ekel zu erkennen, hat Chlestakow, der falsche Fuffziger in diesem Spiel, alle Hebel in der Hand. Wie er das schafft, wie Pablo Konrad, mit Slapsticks und Sixpack-Präsentationen, Raffinesse und Bosheiten eine ganze Gesellschaft in Atem hält und der völligen Falschheit und Korruption ausliefert, ist einfach sehenswert. Und in welcher Geschwindigkeit und überspitzter Künstlichkeit Susanne Engelhardt sowohl Mama Anna als auch, wenig später, als Töchterchen Marja auf der kleinen Bühne ebenso stolziert wie vor dem falschen Revisor wie Butter in der Sonne schmilzt, ist Kabarett und Farce zugleich.
Einhelliger, verdienter Beifall im Bauturm.