Übrigens …

Drei Mal Leben im Bochum, Schauspielhaus

Gewalt der Gefühle

Yasmina Rezas Stück Drei Mal Leben wurde von Luc Bondy 2000 erstmals auf Deutsch inszeniert. Thematisch passt es in ihr dramatisches Gesamtwerk, denken wir an Der Gott des Gemetzels. Reza beschreibt immer wieder das Aufeinandertreffen von Paaren aus der gut situierten Mittelschicht. Diese Treffen entgleiten immer sehr schnell der Kontrolle der Protagonisten. Sehr bald entdeckt man die Schwachstellen des Gegenübers. In der gegebenen Situation zeigen sich bald schon länger existierende Konflikte, z.B. zwischen Ehepartnern. Reza sagt über ihren literarischen Ansatz: „Ich schreibe nicht, um Geschichten zu erzählen. Ich erzähle Situationen, Atmosphären.“

Drei Mal Leben, in Bochum von Martina Eitner-Acheampong inszeniert, spielt eine Situation in drei Variationen durch. Daher der Titel. Das Ehepaar Henri und Sonja – er ein beruflich eher erfolgloser Astrophysiker und sie eine ambitionierte Karrierejuristin – sind zu Hause. Sonja, frisch geduscht und im Sport-BH, will noch einige Akten durcharbeiten, wird jedoch ständig von dem längst im Bett verschwundenen sechsjährigen Sohn Arnaud gestört. Er quengelt ohne Unterlass und Vater Henri ist konsequent inkonsequent. Doch noch einen Keks oder nur einen halben Apfel? Beide haben sehr unterschiedliche Ansichten, was die Kindererziehung betrifft. Das Desaster nimmt seinen Lauf, als unerwartet der berühmte Astrophysiker Hubert Finidori und seine etwas unbedarft wirkende Gattin Ines vor der Tür stehen. Eingeladen, um Henris stockende Karriere in Gang zu bringen und vielleicht sogar eine Beförderung zu ermöglichen. Anlass ist Henris endlich zur Veröffentlichung bereiter Artikel über die Beschaffenheit galaktischer Halos. Eigentlich sollten die Gäste erst einen Tag später kommen. So gibt es statt eines Drei-Gang-Menus nur Käsehäppchen und Snacks. Aber genug Sancerre für Huberts unsichere, trinkfreudige Gattin. Hubert macht es eine diebische Freude, Henri süffisant von einem bereits veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel zu berichten, der das gleiche Thema wie Henris Paper behandelt. Genüsslich betrachtet er den um seine Gunst buhlenden unterwürfigen und jetzt verzweifelten Henri. Die Szene mit dem missglückten Abendessen wird drei Mal durchgespielt. Jedoch ändern sich die Verhaltensweisen der Personen und ihre Bündnisse untereinander. Beziehungsängste und der Wunsch nach Anerkennung und Selbstachtung – all dies kommt zu Tage. Drei Mal sitzen sie zusammen, reden über Erziehungsprobleme, Karrierewünsche und wer am Scheitern einer Ehe schuld sein könnte. Sascha Nathan glänzt als Henri, der sich vom opportunistischen Kriecher zum selbstbewussten Wissenschaftler entwickelt. Oliver Möller ist ein überzeugender,machtbewusster Starwissenschaftler, der gerne austeilt - sei es gegen Henri, sei es gegenseine Gattin. Jele Brückner zeichnet Ines mal besserwisserisch (was Kindererziehung betrifft), dann wieder als eingeschüchterte Gattin ohne viel Selbstbewusstsein. Karin Moog ist Sonja. Stets souverän und selbstbewusst, den Gatten nie sehr ernst nehmend, einem Flirt mit Hubert nicht abgeneigt. Immer beherrscht und amüsiert beurteilt sie die Lage.

Eitner-Acheampong unterstreicht das Wechselspiel der Faktoren, der Allianzen durch eine Drehscheibe als Spielfläche, deren sparsame Requisiten - Sofa und Stehlampe - auch immer wieder zerlegt und neu zusammengesetzt werden.

Rezas bekannt witzig-scharfzüngige Dialoge machen den Abend mit diesen glänzenden Schauspielern zum Genuss.