Übrigens …

Goodbye to Berlin im Mönchengladbach, Theater

„What good is sitting alone in your room?“

Eigentlich sollte zum diesjährigen Spielzeitauftakt an den Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach das Musical Cabaret herauskommen. Dann trat ein Corona-Fall im Umfeld eines Darstellers auf, die Premiere wurde verschoben und ein Musical war unter den strengen Corona-Schutzmaßnahmen nicht mehr zu realisieren. Regisseur Frank Matthus, der Cabaret in der nächsten Spielzeit zu realisieren hofft, war äußerst kreativ. Mit Goodbye to Berlin schuf er eine szenische Lesung nach Kurzgeschichten von Christopher Isherwood mit Songs aus den zwanziger und dreißiger Jahren. Isherwoods Buch ist ja die Vorlage zur Story in Cabaret. John van Druten machte daraus ein Theaterstück, Joe Masteroff das Musical mit den Songs von Kander/Ebb und 1972 entstand der gleichnamige Film mit Liza Minelli, der ein Welterfolg wurde.

Goodbye to Berlin ist eine überaus gelungene Produktion mit viel Schwung, durchaus aber auch mit nachdenklichen Momenten. Auf der großen Bühne des Mönchengladbacher Hauses steht links ein Tisch, ansonsten sind einige Stühle und ein Sofa großzügig auf der Spielfläche verteilt. Die Zuschauer sitzen auf separierten Plätzen, es gilt Maskenpflicht. Die ersten drei Reihen sind frei wegen der Aerosole. Es gibt keine Pause. All das gehört zu den Sicherheitsmaßnahmen. Drei Musiker bestreiten mühelos den Abend: Jochen Kilian (Piano und musikalische Leitung), Kim Jovy (Reeds) und Bernd Zinsius (Bass). Acrylglasscheiben auf Rädern sind wichtige Requisiten, wenn die Akteure sich näher kommen. Blinken die umlaufenden Lichtleisten, hat das absolut einen Showeffekt. Neben dem hochmotiviert spielenden und singenden Ensemble sind vier Tänzer engagiert. Alles Zutaten zu gelungenen Showeinlagen, wobei jedoch immer die Sicherheitsabstände gewahrt bleiben. Insgesamt ein sehr lebendiger, musikalischer, mitreißender Abend.

Paul Steinhaus spielt Christopher Isherwood, der Anfang der 30er Jahre nach Berlin kommt und dort alles „wie eine Kamera“ aufzeichnen will. Zu Beginn des Abends sitzt er an dem kleinen Tisch und liest aus seinem Buch vor. Spielszenen wechseln sich mit Vorlesepassagen ab. Wir erfahren, was Isherwood in der Pension Schneider in der Vor-Nazi-Zeit erlebt, lernen Sally Bowles (hervorragend: Jannike Schubert) kennen und Otto Nowak, Christophers Geliebten (Lars Wandres) sowie seine proletarische Familie. Esther Keil überzeugt sowohl als berlinernde Mutter Nowak wie auch in diversen anderen Rollen (Fräulein Schneider, Österreicher). Dies gilt auch für Bruno Winzen (u.a. als Herr Nowak, Herr Schultz, Prof. Koch). Isherwood hat in Berlin Künstlerfreunde gefunden und jüdische Freunde wie Bernhard Landauer (Adrian Linke spielt ihn ebenso famos wie den Conférencier im Cabaret). Wir erleben mit, wie die Berliner Amüsiergesellschaft „umkippt“, als die Nazis das Ruder übernehmen. Isherwood verlässt deshalb 1932 Berlin. Daher der melancholische Titel „Goodbye to Berlin“ seines Buches.

Es gelingt Matthus, trotz der Einschränkungen einen sehr unterhaltsamen, facettenreichen, aber auch nachdenklich stimmenden Abend auf die Bühne zu bringen. Dank des hervorragenden Ensembles und der phantastischen Musiker. Matthus fasst die Essenz dieser Produktion treffend zusammen, wenn er sagt: „What good is sitting alone in your room, come hear the music play. Life is a cabaret.“ (Song aus dem Musical „Cabaret“) Für ihn ist das ein Synonym für das Leben schlechthin. Auch das Risiko, das immer da ist, sollte uns nicht zu sehr in unserer Lebensfreude einschränken, wenn wir zu viel Zeit zuhause verbringen. Ein erfrischender und sinnvoller Ratschlag.