Früchte des Zorns im Köln, Schauspiel

Vom Tellerwäscher zum Millionär, eine für immer mehr Menschen hohle Illusion

Die Inszenierung von Rafael Sanchez lehnt sich an John Steinbecks Roman Früchte des Zorns an, der 1940 mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde. Erzählt wird die Geschichte der Familie Joad aus Oklahoma, die - in den 1930er Jahren wie so viele „Okies“ durch Depression und Dürre hoch verschuldet - von Grundbesitzern von ihrem Land vertrieben werden und mit schrottreifen Lastwagen über die Route 66 nach Kalifornien ziehen, wo angeblich Milch und Honig fließen. Statt gut bezahlter Jobs erwarten sie jedoch Hunger, Ausbeutung und Anfeindung durch die ansässige Bevölkerung. Die Dekonstruktion des amerikanischen Traums steht im Zentrum des Romans und seiner szenischen Umsetzung. Vergleiche mit der heutigen Situation, vor allem in den USA, liegen auf der Hand, wo vor allem sozial Schwächere unter den Folgen der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Problemen leiden. So stammen die meisten Toten aus den afroamerikanischen Communities. Menschen mit schlecht bezahlten Jobs verlieren ihre Arbeit weitaus häufiger als andere in dieser ökonomischen Krise. Allerdings nicht nur in den USA.

Sanchez lässt die Geschichte der Joads, die trotz aller Demütigungen und Entbehrungen als Familie zusammenhalten, sowohl im Depot wie auch auf dem umliegenden Gelände spielen. Spielszenen wechseln ab mit Beschreibungen der Vorfälle.
Eindrucksvoll der Beginn des Abends: Grandma (Margot Gödrös), eine beeindruckende, kraftvolle, alte Frau, sitzt mit einem Gewehr bewaffnet im Rollstuhl. Sie wettert trotzig: „Ihr Schweine! Ihr dreckigen Schweine! Ich lass mich nicht vertreiben.“ Dann sehen wir zwei Männer vom Außenbereich kommen. Tom Joad (Sean McDonagh), den älteren Sohn der Familie, und Casy, den Prediger (Martin Reinke). Sie sprechen über die hoffnungslose Situation der Pächter, die von den Landbesitzern vertrieben werden: „Ihr müsst gehen. Das Land gehört der Bank.“ Casy beschreibt, wie riesige Traktoren ihre geraden Linien durch das Land ziehen, ohne Rücksicht auf die Häuser der Pächter. Im Gegenteil. Pa Joad (Stefko Hanushevsky) fragt einen Traktorfahrer, warum er diese Drecksarbeit macht. Aber auch dieser steht unter finanziellem Zwang, hat Frau und Kinder und braucht die
drei Dollar am Tag dringend. Die nüchternen Realitäten werden aufgezeigt, sowohl die harten Fakten wie die menschlichen Schicksale.
Schließlich macht sich die Familie
Joad auf den Weg nach Kalifornien. Nachdem verkauft wurde, was ging. Wenn auch für wenig Geld. Die Mutter (Katharina Schmalenbach) verbrennt noch Briefe. Grandma wird betrunken gemacht, weigert sie sich doch, das Land zu verlassen. Die mühsame Fahrt über die Route 66 wird anschaulich illustriert: die Mitglieder der Familie sitzen ruckelnd auf ihren Stühlen, ein Motor brummt, man hört die Ansage: „Next Stop California“. Die Neuankömmlinge werden von der ansässigen Bevölkerung gehasst, auch die Polizei zeigt sich parteiisch bzw feindselig. Die Jobsuche ist desolat. Es gibt, wenn überhaupt, nur Jobs zu Dumpinglöhnen. Profit ist die oberste Maxime. Zu oft werden Früchte eher zerstört als sie den Hungernden zu geben: „In den Herzen der Menschen wachsen die Früchte des Zorns.“

Der Inszenierung gelingt es, mit eindrucksvollen Bildern diese desolate Grundstimmung zu vermitteln - auch wenn es manche Längen in diesem Abend gibt. Daneben aber auch berührende Bilder: Rose, Toms kleine Schwester (Kristin Steffen), bekommt ihr Kind in einer Scheune, wo die Familie Zuflucht vor starkem Regen gesucht hat. Dort finden sie einen verhungernden Mann, dem sie die Brust reicht.