Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran im Münster, Wolfgang-Borchert-Theater

Moses und Mohammed zugleich

Vernunft, Toleranz, Mitgefühl, Liebe - Éric- Emmanuel Schmitts Plädoyer Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran ist zeitlos. Schmitt wirbt für konfliktfreies Miteinander der Religionen. In diesem Fall sind das Islam und Judentum. Und das Team des Wolfgang-Borchert-Theaters in Münster setzt dieses Plädoyer gekonnt und mit viel Nachdruck um.

Leer ist die Bühne des Theaters am Hafen bis auf Scheinwerfer und einen großen metallenen Rollcontainer, der mit einem ebensolchen Rollo verschlossen ist. Später sehen wir, dass Annette Wolf den Container bestückt hat mit vielen Postkarten, einem Autoreifen, einem Chanukka-Leuchter. Dinge, deren Bedeutung sich im Laufe des Abends erschließen wird. Sparsam ist die Ausstattung, die später nur um Videoeinspielungen vom Meer ergänzt werden. Sparsam - so können wir uns ganz auf Johannes Langer konzentrieren. Langer ist Momo, eigentlich Moses. Er lebt mit seinem jüdischen Vater zusammen, der nicht in der Lage ist, Gefühle zu zeigen. Doch da ist Monsieur Ibrahim, der ihn ins Leben führt und Werte vermittelt. Er ist der „Araber an der Ecke“ - der Kolonialwarenhändler.

Johannes Langer gelingt es eindringlich, in seinem Monolog Wut, Schmerz und Glücksmomente zu vereinen und dennoch seine Zerrissenheit dazwischen zu betonen. Langer changiert zwischen eruptiven Ausbrüchen und ohnmächtiger Schicksalsergebenheit. Uns ist es vergönnt, Momo auf seinem Weg des Erwachsenwerdens zu begleiten, während er verbindende Elemente beider Religionen aufnimmt - in ihm also Moses und Mohammed verschmelzen.

Regisseurin Tanja Weidner lässt Momo seine pubertären Kraftausbrüche austoben am Rollcontainer, den er über die Bühne rollt, auf den er klettert und ihn auch mal als Kanzel nutzt. Die Inszenierung ist ein flammender Appell an Schmitts dramatisierten Wertekanon, der nahe geht. Und doch: Angesichts der jüngsten Geschehnissen im Nahen Osten wirkt Schmitts Toleranzpostulat leider auch ein wenig hilflos.

Es ist die erste Produktion des Theaters vor Publikum nach der zweiten Corona-Zwangspause. 48 Zuschauer*innen sind erlaubt, und wenn auch noch enge Grenzen gesetzt sind: Das ist ein Anfang, der sich richtig gut anfühlt und etwas von dem zurück gibt, was so lange vermisst worden ist. Und es wird das dringende Verlangen geweckt nach viel mehr...