"Das Gold glänzt, das Gold gleißt:"
In Düsseldorf wurde nach mehrmonatiger Zwangspause endlich wieder Theater gespielt, gehen doch die Inzidenzen stetig zurück. Allerdings war wegen der geltenden Corona-Bedingungen nur eine Open-Air-Veranstaltung auf dem Gustaf-Gründgens-Platz erlaubt. Der Platz, den sich das Schauspielhaus mit dem begrünten Ingenhovental teilt, wurde durch eine Zuschauertribüne ergänzt. Auf der Spielfläche verteilt: Originalstücke eines alten Flugzeugs. Sowohl als überdimensional große, recht ungewöhnliche Bühnenrequisiten, aus denen Rauch quillt oder auf denen die Darsteller herumklettern, wie auch als Kiosk am Rande und als Spielort für eine Heavy-Metal-Band. Die Flugzeugteile gehören zur künstlerischen Installation „Third Space“ von raumlabor Berlin. In abgewandelter Form werden sie auch beim Festival „Theater der Welt 2021“ eingesetzt werden.
Die Zuschauer mussten einen aktuellen Schnelltest vorweisen und saßen auf Abstand. Das Premierenwetter war ungemütlich. Kälte und zeitweilige Nässe ließen einen auch im dicksten Mantel noch frieren. Dennoch spürte man schon zu Beginn eine freudige Erwartung, endlich wieder Theater!
Zur Uraufführung kam Das Rheingold. Eine andere Geschichte. Feridun Saimoglu und Günter Senkel - erprobt in der Umdeutung eigentlich unspielbarer und ideologisch fragwürdiger Stoffe - aktualisierten Wagners Text, der den 1. Teil seines Zyklus Der Ring des Nibelungen darstellt. Die beiden Autoren halten sich an die vorgegebene Szenenfolge, betonen aber, ein neues Stück geschrieben zu haben. Zaimoglu: „Wir erzählen von dem, was Wagner ausgespart hat. Wer ist geknechtet worden? Um welchen Preis?“ Regisseur Roger Vontobel kann sich auf ein hoch motiviertes 14-köpfiges Ensemble verlassen, das sich mit Verve in diesen Abend wirft, der ihnen auch physisch viel abverlangt. Lange Gänge sind auf dieser großen Spielfläche nicht zu vermeiden, Podeste und Flugzeugteile müssen erklommen werden. Live-Kameras projizieren die Gesichter auf die großen Leinwände, so dass man alle Gefühlsregungen ganz genau mitbekommt. Die Kostüme sind detailliert gezeichnet und aufeinander abgestimmt. Da heben sich zum Beispiel die Götter durch großflächige Tattoos von allen anderen Figuren optisch ab.
Florian Lange überzeugt besonders im 2. Teil als hässlicher Zwerg Alberich vom Volk der Nibelungen, der aus dem Reich unter Tage flieht, um ein besseres Leben zu erlangen. Gut auch sein Bruder Mime (Kilian Ponert). Die drei Rheintöchter - in silbrig glänzenden Gewändern, die an Lichtreflexionen auf Wasser erinnern - verhöhnen den „Winzling“. Zu ihrer Überraschung prellt Alberich sie um ihr Gold und mischt sich in den Streit der Götter und der Riesen um die Burg Walhall ein. Es geht immer nur um Geld, die Urversuchung wie der Apfel vom Baum der Erkenntnis. Verträge werden geschlossen und gebrochen. Brillant Vontobels Idee, sieben junge Skater in goldenem Dress und mit goldenen Helmen das Rheingold darstellen zu lassen. Interessant zu beobachten, wie ihre Mobilität im Laufe des Abends abnimmt. Manuela Alphons beschwört als mahnende Göttin Erda lautstark die sich anbahnende Katastrophe: „Nie wieder wird euch klares Wasser über den Leib rinnen.“ Fricka (Judith Bohle), Donner (Sebastian Tessenow), Wotan (Florian Claudius Steffens), Froh (Jascha Baltha) und Freia (Cennet Rüya Voß) sind die anderen Götter in diesem Spiel. Andreas Grothgar und Thomas Wittmann geben die Riesen Fafner und Fasolt, die die Burg erbauten. Zweifelsohne herausragend André Kaczmarczyk als Loge. Wendig, vielseitig, diplomatisch und zuweilen poetisch fesselt er die Zuschauer. Besonders beeindruckend im Kontrast zu Alberich, der - noch selbstbewusst und stolz - verkündet: „Ich bin die Hoffnung aller Knechte in staubigen Kutten.“
Zum Ende hin flackern Feuer dramatisch in Schubkarren, riesige, schwarze Fahnen wehen, Fafner erschlägt seinen Bruder aus Habgier.
Eine an vielen Details und Regieeinfällen reiche und so bestechende Inszenierung, die das Publikum frenetisch feiert. Vielleicht manchmal etwas sehr ausgespielt. Aber eindringlich die Interpretation der Autoren, dass die Götter trotz intellektueller Überlegenheit gegenüber Alberich die Grenzen ihrer Macht erkennen müssen.