„Wir sind vom Stoff, aus dem die Träume sind.“
Das diesjährige Shakespeare Festival findet unter ganz besonderen Corona-Schutzmaßnahmen statt. Nicht im Globe, sondern davor im Freien. Die Zuschauer sitzen auf Einzelstühlen, die auf Abstand bzw. Lücke gestellt sind. Maskenpflicht gilt, bis man seinen Platz erreicht hat.
Der Sturm („The Tempest“) war Shakespeares letztes Stück, uraufgeführt vermutlich 1611 am Hofe Jakobs I. Ein Zaubermärchen, ein Gedankenexperiment, eine Utopie?
Die Handlung spielt auf einer Insel, geographisch irgendwo zwischen Tunis und Neapel. Herrscher über dieses Eiland ist Prospero, der ein mächtiger Magier geworden ist. Ehemals König von Mailand, vertrieben von seinem Bruder Antonio, dem er leichtsinnig die Amtsgeschäfte überlassen hatte. Mit ihm wurde seine Tochter Miranda verbannt. Dank einiger Bücher, die ihm Macht über Geister und Naturgewalten verleihen, hat er sich den Luftgeist Ariel und Caliban, ein zwitterhaftes böses Monster, untertan gemacht.
Das Stück beginnt mit einem von Ariel auf Befehl Prosperos hervorgerufenen Sturm, in dem ein Schiff an der Insel strandet. An Bord Antonio und sein Verbündeter Alonso, König von Neapel, dessen Sohn Ferdinand und sein Bruder Sebastian sowie ein alter Hofbediensteter. Die Schiffbrüchigen finden sich - von magischer Hand errettet - am Strand der Insel wieder. Prospero, Rachepläne schmiedend, hetzt seine Feinde über die Insel und treibt sie in die Verzweiflung.
Die überdachte, sehr einfache Holzbühne ohne jegliche Bühnenbilder erlaubt schnelle Auf- und Abgänge von bzw. zu beiden Seiten. Dahinter erhebt sich eine malerische Baumkulisse, die von den exotischen, inzwischen hier heimischen Alexandersittichen besucht wird. Dies und die einbrechende Dämmerung an diesem warmen Sommerabend passen hervorragend zur verwunschenen Insel, dem Ort des Geschehens. Zwei Xylophone und eine Flöte sorgen für zeitweilige harmonische musikalische Akzente. Zweifelsohne im Mittelpunkt des Stückes und so auch der Inszenierung: Prospero, der Herrscher der Insel. Sehr vital gespielt von Anselm Lipgens. Ein uriger Typ, aufbrausend und von seinem Rachegedanken besessen. Er hat scheinbar vergessen, was die Tugenden des Menschen im Verhältnis zu seinen Mitmenschen sind. So malträtiert er den Luftgeist Ariel, der ihm widerwillig zu Diensten ist. Wiebke Acton spielt Ariel etwas statisch und an einer Stelle verharrend. Saskia von Winterfeldt überrascht als Besetzung von Caliban, den man oft als dumpf-plumpen Kerl sieht. Hier erleben wir ihn als Mischung aus wendigem Naturgeist und Giftzwerg. Im Laufe des Abends gewinnt diese Interpretation immer mehr an Überzeugung. Zumal von Winterfeldt auch als Staatsrätin Gonzalo beeindruckt. Nadja Schimonsky spielt Miranda, Prosperos Tochter. Glaubhaft ihr Entzücken, als sie Ferdinand, Alonsos Sohn (Benjamin Krüger), sieht. Benjamin Krüger spielt auch Sebastian, Alonsos Bruder. Doppelbesetzungen werden durch Kostümwechsel glaubhaft gemacht. So gibt Peter Beck Alonso, den König von Neapel, und den Kellner Stefano. Dieser unterhält das Publikum in Slapstick-Manier zusammen mit Trincolo, dem Narren (Uwe Neumann). Auch er spielt eine zweite Rolle: Antonio, Prosperos Bruder.
Eine unterhaltsame, fröhliche Inszenierung, die gut zum sommerlichen Wetter und zum Outdoor-Spielort passt und weniger vom künstlerischen Niveau her beeindruckt. Am Schluss bittet Prospero das Publikum schelmisch: „Übt Nachsicht. Lasst uns frei!“. Und erntet lebhaften Beifall.