„Weil es Spaß macht, zu herrschen“
Das neue Stück von Rainald Goetz - ihm wurde 2015 der angesehen Büchner-Preis verliehen - trägt im Titel ein Zitat aus dem Glaubensbekenntnis, es heißt Reich des Todes. Es beschreibt - oft unerträglich minutiös - den moralischen Rückfall der Gesellschaft, insbesonders in Amerika, nach der Katastrophe vom 11. September 2001, dem Fall der Twin Towers durch den Terror von al-Quaida. Sicher, die unfassbaren Foltergeschehen in amerikanischen Gefangenenlagern wie Abu Ghraib und Guantanamo, die mit höchster Genehmigung stattfanden, wurden journalistisch dokumentiert. Goetz geht es dagegen um die Analyse des Bösen, das den Bruch mit allem, was als Werte der Zivilisation galt, führte. Um maßlosen Machtmissbrauch und Rechtsbeugung, die erst die unsäglich grausamen Foltermethoden möglich machten. Er gibt den Akteuren - Politikern, Soldaten, Folterknechten - Namen, die an Persönlichkeiten aus anderen Zeiten erinnern und so Bezüge unter anderem zur Nazidiktatur herstellen.
Olaf Altmann schuf ein Bühnenbild aus senkrecht und waagerecht gespannten Schnüren, die der Fantasie des Betrachters Raum geben. Die sieben exzellenten Schauspielerinnen aus den beiden Ensembles - Cathleen Baumann, Sophia Burtscher, Rosa Enskat, Claudia Hübbecker, Melanie Kretschmann, Sabine Waibel, Ines Marie Westernströer - agieren hier auf verschiedenste Weise überaus wendig und unterschiedlich. Bachmann lässt die Texte oft durch rhythmische Begleitung der Live-Musik verstärken. Wenn alle Darstellerinnen zusammen in höchstem Ton sprechen, ist das für die Zuschauer oft schwer auszuhalten. Je nach Kostüm sind sie Präsident und Mitarbeiter (graue Nadelstreifenanzüge) oder Folterer in den berüchtigten Lagern (Tarnanzüge), um nur zwei Beispiele zu nennen. Den Zuschauern kommen die Rechtfertigungsthesen, zum Beispiel des Präsidenten, bekannt vor, der „den Staat in eine robuste Verfassung“ bringen will, um die Bösen zu bekämpfen, ihnen die eigenen Werte aufzuzwingen und das Land zu schützen. Schier unerträglich in einer stilleren Szene die minutiös geschilderten Folterungen, oft sexueller Art oder mit dem Zweck, die Gefangenen zu demütigen. Oder wenn eine Gefangene unter einem Stuhl kauert wie in einer engen Zelle und ihre Angst vor den Peinigern beschreibt: „Was für uns das Schrecklichste ist, fast schrecklicher als die eigentlichen körperlichen Qualen, ist unsere Angst vor ihnen.“
Es ist ein über weite Strecken hin schwer zu ertragender Abend, den diese grandiosen Schauspielerinnen auf verschiedenste Weise und fast immer mit höchster Intensität gestalten. Man kann den Goetzschen Sprachkaskaden nicht ausweichen. Zum Schluss tritt Melanie Kretschmann vor mit einem schier endlosen und immer unerträglicher anzuhörenden Monolog. Unter anderem, dass es Spaß mache, zu herrschen, und über die Kunst des Auftritts. Das Publikum wird unruhig, man hört Unmutsäußerungen, das Licht im Saal geht an, die Schnüre auf der Bühne erschlaffen.
Ein sicherlich extremer Theaterabend. Vielleicht wäre manche Wiederholung nicht nötig gewesen, um die Aussagen des Autors zu verstehen. Trotzdem bleibt als Fazit die äußerst beeindruckende Umsetzung der Textfülle durch Regie und Ensemble.