Übrigens …

Das Opferfest im Köln, Schauspiel

Ein allzu konfliktträchtiges Familientreffen

Ibrahim Amir, der Arzt, der bereits mit 19 Jahren aus Aleppo nach Wien floh, hat in Köln schon große Erfolge gefeiert mit seinen klug durchdachten und witzigen Komödien. Denken wir nur an die erste Premiere von Habe die Ehre, einer Boulevardkomödie zum Thema Ehrenmord.

Das Opferfest ist seine vierte Arbeit für das Kölner Schauspiel. Eine muslimische Familie kommt im Sommer in ihrem Schrebergarten zusammen, um das Opferfest – das wichtigste islamische Fest zum Höhepunkt der Wallfahrt nach Mekka – zu feiern. Natürlich treten bei diesem Familientreffen, wie bei den meisten Familienfesten, Konflikte auf. Treffen doch recht unterschiedliche Ansichten der Generationen und der Einzelpersonen aufeinander. Vater Rashid (Benjamin Höppner gibt den alten Kommunisten poltrig und selbstgerecht) und Mutter Sara (Lola Klamroth spielt sie wesentlich milder und ist immer um Harmonie bemüht) warten zusammen mit den beiden Söhnen Walid und Hasan auf die Ankunft der Tochter Ranya (Kristin Steffen), die der Familie ihren Freund Max (Janek Maudrich) vorstellen will. Sie ist schwanger und will dennoch ihren Freund nicht heiraten. Ein Unding für ihren Vater, der sofort auf einer Eheschließung besteht. Max, ein redegewandter junger Mann, studiert Ethnologie und arbeitet an seiner Dissertation über „Migration und Schmerzempfinden“, also die „Summatisierung“ von Traumata über Generationen von Familien mit Migrationshintergrund. Er teilt Walids Meinung, nur ein selbst geschlachteter Hammel wäre beim Opferfest angebracht. Walid (Alexander Angeletta), ein schmächtiger, blasser junger Mann, debattiert nicht nur über dieses Thema hartnäckig mit dem Vater, mit dem ihn eine Art Hassliebe zu verbinden scheint. Dieser beschimpft ihn als Versager in beruflicher Hinsicht. Ständig zitiert Walid aus dem Koran und fühlt sich dabei immer im Recht. Hasan (Thomas Müller), der ältere Sohn, gibt lange Zeit nicht zu, dass er sich scheiden lassen will. Nur seine Schwester verplappert sich. Auch das ein Unding für Rashid. Das Thema Beschneidung – ist es eine religiöse, kulturelle oder gesundheitliche Frage? - und die Nazivergangenheit des Vaters des Nachbarn Jörg (Yuri Englert) gehören auch zum Kanon der im Stück verhandelten Themen. Alle sind durchaus diskussionswürdig und wichtig. Nur sind es an diesem Abend definitiv zu viele. Zudem werden sie immer wieder durcheinander gewirbelt und häppchenweise verhandelt.

Moritz Sostmann lässt den Abend mit Vogelgezwitscher beginnen. Ab und an ist Fluglärm vom Band zu hören, oft hört man echte Flugzeuge. Sostmanns Puppen - die Geschwisterpuppen Ali, Esra und Laiss – ergänzen die Kernfamilie. Sie dirigieren das Geschehen, greifen ein, kommentieren. Auch Hasans Sohn Mohamad ist eine Babypuppe mit Wasserkopf, die sich altklug zu Ausgrenzungserfahrungen aufgrund des Namens Mohamad („kein Name, ein Status“) wortreich äußert, aber auch das Thema Plastikmüll anspricht. Er sagt eine Zukunft voraus, die niemand erleben wird. „Gott schuf euch und ihr schuft Kunststoff.“ Also darf auch die Umweltverschmutzung an diesem Abend nicht fehlen. Im Gegensatz zu früheren Sostmann-Arbeiten beeindrucken die Puppen an diesem Abend nur punktuell. Vielleicht brauchen sie die Intimität geschlossener Räume. Bei der Freiluftveranstaltung, in der sehr oft laut gesprochen, ja geschriehen wird (Microports) – um unter anderem den Lärm von direkt hinter der Spielfläche vorbeifahrenden Autos zu übertönen – kommen sie nicht so zur Geltung.

Schade. Einige sehr wichtige Themen erzielen aus den oben genannten Gründen nicht die Wirkung, wie wir sie aus anderen Amir-Stücken zu schätzen gelernt haben. Es liegt am Stück. Den Schauspielern ist das nicht anzulasten. .