„Kann uns ein Stück die wahre Natur der Liebe zeigen?“
Thomas Goritzki inszenierte zum Auftakt der Spielzeit 2021/2022 die Bühnenversion von Shakespeare in Love. Sie basiert auf dem Konzept des gleichnamigen Films mit Gwyneth Paltrow und Joseph Fiennes (1998). Marc Norman und Tom Stoppard schufen mit dem Filmdrehbuch einen Text, der zunächst unterhalten sollte. Wie es die Pflicht war auch für die Dramatiker des elisabethanischen Zeitalters Shakespeares Dramen folgen diesem Auftrag genau. Nicht nur seine Komödien, auch seine Tragödien enthalten Szenen, in den gesungen und getanzt beziehungsweise geprügelt und gekämpft wird. Dennoch finden sich in seinen Werken durchaus Aspekte, die sich auf gesellschaftliche Themen beziehen. Shakespeare in Love legt auch den Hauptakzent auf die Unterhaltung des Publikums. Sehen wir jedoch Vorsprechproben, z.B. mit Laiendarstellern – Berufsschauspieler gab es damals kaum -, erhalten wir einen Einblick in das mühsame Geschäft einer Inszenierung. Der ständige Überlebenskampf der Theater und der sogenannten „freien Schauspieler“ (sie gehören nicht zu einem Ensemble) ist bis heute aktuell.
Im Rheinischen Landestheater orientierte sich Goritzki auch betreffs des Bühnenbildes an der Aufführungspraxis der elisabethanischen Zeit. Heiko Mönnich hat eine halbrunde Bühne mit einer ersten Etage und roten Vorhängen, die ständig neue Ein- und Ausblicke möglich machen, konzipiert, die an Shakespeares Globe erinnert. Die Kostüme passen auch in das 16. Jahrhundert. Bühnenbilder im eigentlichen Sinne gab es zu Shakespeares Zeit nicht, sie sind auch nicht in Neuss zu sehen. Einige wenige Requisiten werden ab und an auf die Vorderbühne gestellt, mal ist es ein Hocker, dann ein Tisch. Schnelle Auftritte und Abgänge sind problemlos möglich.
Der Abend beginnt mit der beeindruckenden Anna Lisa Grebe, ihre Figur heißt „Musik/Spiel/Traum“. Sie führt als eine Art Narr mit Gesang und Dichtung durch den Abend. Sie eröffnet die Vorstellung mit Shakespeares Sonett Nr.18, „Shall I compare thee to a summer’s day“, das Liebe und Vergänglichkeit so wunderbar thematisiert. Ansonsten erfreuen sich die Zuschauer an einem sehr spielfreudigen Ensemble, das zum überwiegenden Teil in mehreren Rollen auftritt: Hergard Engert, Johannes Bauer, Carl-Ludwig Weinknecht, Benjamin Schardt, Peter Waros und Philippe Ledun. Ausnahmen sind Ulrich Rechenbach, als junger Shakespeare, der vom Rose Theatre-Besitzer Henslowe den Auftrag bekommt, eine neue Komödie zu schreiben. Leider fehlt es ihm an Inspiration. Der Druck wird noch größer, als er Burbage vom Curtain Theatre ebenfalls ein Stück verspricht. Thomas Kent – Viola de Lesseps (Antonia Schirmeister) ist eine junge Dame der Gesellschaft, die so für das Theater brennt, dass sie es wagt, in Männerkleidern für eine Rolle zu vorzusprechen – inspiriert ihn jedoch sofort. Beide verlieben sich leidenschaftlich ineinander, was neue Probleme schafft. Ist Viola doch standesgemäß mit Lord Wessex verlobt. Genug Stoff für Intrigen, wechselnde Allianzen, Geheimniskrämerei und manche Turbulenzen. Eine Geschichte für einen prallen Theaterabend.
Goritzki gelang eine sehr unterhaltsame, lebendige Inszenierung mit so manchem witzigen Regieeinfall. So tragen einige Männer mit Mainzelmännchenmützen einen Tisch auf die Bühne und krähen auch „Guten Abend“ im Mainzelmännchenton. Beim Vorsprechen für die Rollen im neuen Shakespeare-Stück erleben wir manch skurrilen Charakter. Lebhafte und eher ruhige Szenen wechseln sich ab. So versucht Violas Amme (Hergard Engert, sie spielt auch Königin Elisabeth), ihr Mündel zu beraten, wie in den Liebesdingen vorzugehen sei.
Ein insgesamt beschwingter und unterhaltsamer Abend, der die Zuschauer, die im Schachbrettmuster gesetzt waren - Corona lässt grüßen - zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss.