Übrigens …

In den Gärten oder Lysistrata Teil 2 im Schauspielhaus Düsseldorf

Ein Männerstreik verpufft

Auf die Bühnenrückwand ist ein lebloses, unscharfes Endzeitpanorama projiziert: totes Land und mitten drin ein spitzer Stein- oder Eisbrocken. Davor, auf der Bühne, plastikbezogene Stufen und Podeste, auf denen sechs konventionelle Skulpturen stehen: sechs Männer in unterschiedlicher Positur und Gewandung, alle steingrau von rosafarbenem Theaternebel fast verschluckt.

Dann Lichtwechsel. Drei Frauen unterschiedlichen Alters, uniform in schmucklosen, bodenlangen blauen Kleidern auf hohen Plateauschuhen treten auf, verweisen auf eine „durchgegenderte Gegenwart“, als sich unvermittelt drei der steingrauen Figuren aus der Erstarrung lösen, sich uns zuwenden und chorisch erklären: „Ich bin Bernd. Ich bin ein Mann. Wir haben ein Glied.“ Er, der Dreifach-Bernd, spricht von seiner Sehnsucht nach Zeiten, als es noch Kriege gab. Doch da ergreifen die Frauen, die Dreifach- Lysistrata, das Wort, richten sich direkt ans Publikum : „Herzlich willkommen im Museum der Gärten der Vergangenheit, in dem wir mit angenehmem Schauer vergangene Lebensformen ausgestorbener Tiere und Menschen betrachten, gleichsam unseren Ursprung besichtigen werden – als wäre sie nur eine kurze Verirrung der Weltgeschichte.“

Das also ist das Programm, das uns erwartet: Die Gärten. Nehmen wir den zweiten Teil des Titels dazu, so wird auf eine der bekanntesten Komödien des griechischen Dichters Aristophanes verwiesen, die er 411 v. Chr. – im zwanzigsten Jahr des Peloponnesischen Krieges - zur Aufführung brachte. Es ist ein pazifistisches Stück, das den Kampf der Frauen um Lysistrata gegen die Männer als Verursacher von Kriegen und damit verbundenem Leid thematisiert. Um Frieden zu erzwingen, besetzen die Weiber von Athen und Sparta die Akropolis und verweigern sich fortan den Männern sexuell. Erfolgreich.

Bei Sibylle Berg kehrt sich nun alles um: sie schaut nicht in unsere Vergangenheit, schreibt das antike Stück nicht fort oder um, sondern blickt aus einer fiktiven - höchst fraglichen, matriarchalischen - Zukunft zurück auf das, was sie als unsere patriarchalen, vergifteten „Lebensformen“ denunziert. Und nicht die Frauen, die längst die Macht übernommen haben und die Geschicke der Welt in ihrem Sinne (was auch immer das sein mag) lenken, sondern die Männer kämpfen um ihre Rechte durch Verweigerung, bis sie am Ende resigniert und erschöpft aufgeben. „Wir hatten getan, was Männer zu tun hatten. Wir hatten die Welt gebaut und ruiniert, und nun waren wir müde.“ Sie streikten. Das heißt: nicht mehr arbeiten, nicht mehr funktionieren, keinen Sex mit Frauen mehr. Langsam aussterben.

Doch da sind wir schon im letzten der sieben Gärten, dem Friedgarten, der Endstation für Männer. Vorerst gibt es ja auf der Bühne noch den einen Überlebenden, unseren Bernd, und den gleich in drei Versionen: einmal als Macho in Cowboy-Aufmachung (Jonas Friedrich Leonhardi), dann als gezähmte Ausgabe mit Haarschwänzchen und Baby im Tuch vorm Bauch (Florian Lange) und schließlich als angedeuteter Trans in opulentem Biedermeier-Kleid mit Schleife und Blumensträußchen in der Hand, jedoch dazu eine Baseball-Kappe auf dem Kopf (Florian Mania). Das alles – von der Haarspitze bis zur Schuhsohle - in leblosem Steingrau!

Gemeinsam führen uns Lysistra (in abgestuftem Alter: Cennet Rüya Voss, Hanna Werth und Friederike Wagner) und Bernd durch die musealen Lebensgärten und starten im Vorspielgarten.

Im Hitergrund erscheinen grüne Bäume, doch was wir hören ist wenig belebend: eine erwähnte Erinnerung an den Garten Eden stellt sich nicht ein. „Wir konnten und durften alles, doch wir hatten einen Vermehrungsauftrag“, wird beklagt. Dann wird von Weißen-alten-Männern, von toxischer Männlichkeit, aber auch von ihrer Versagensangst gesungen. Und von der Opferrolle der Frau, die sich schminken und schmücken muss, um „die Körperteile in den Zustand optimaler Begattbarkeit zu bringen“

Im Grunde ist da schon alles beschworen: Routine, Mittelmäßigkeit und Spießertum, das Alphagehabe der Männer und die Unterwerfung der Frau. Alle Rollenklischees sind benannt, aber eben nur benannt, nichts wird erspielt. Wenn man das Flachliegen der Lysistratas im Missionarsgarten nicht als szenischen Einfall bewertet oder den Lustschrei der Cennet Rüya Voss nach der tiefgründigen Behauptung: „Der Akt ist beendet, wenn der Mann…“. Dafür gab’s Szenenapplaus! Ansonsten – auch im Folgenden - immer wieder: chorisches Sprechen, auch mal ein Solo oder Sprechgesang zu Hintergrundmusik aus dem Off und sanfte Lichteffekte. Reines Narrativ. Viel Wiederholung. (Regie: Christina Tscharyiski)

Im Kindergarten besingt der Chor der drei Bernds, dass die Frauen arbeiten gingen und sie zu Hause bleiben mussten. Ermüdet schlossen sie sich in überregionalen Männergruppen zusammen und riefen den Sex-Streik aus. „Sie verweigerten sich, doch die Frauen merkten es nicht einmal.“ „Wir sind dann ausgestorben“, heißt das larmoyante Fazit

Und die Frauen? „Wir ziehen das Ding durch“, singen sie entschlossen (Begattung funktioniert jetzt maschinell). Und konstatieren zugleich, dass sich nichts geändert hat, „außer, dass wir jetzt die Welt beherrschen.“ Nach gut einer Stunde: Der Vorhang zu, und alle Fragen offen.

Eine Satire ohne Biss, die sprachlich gewitzt und pointensicher einen Sack voller gängiger Klischees aufmacht, ohne die aufgelisteten Probleme wirklich anzugehen und Vorurteile zu hinterfragen, ohne sich einzuklinken in eine sich aufdrängende Zeitgeist-Diagnose. Überholte Behauptungen zu Rollenbildern und zum Geschlechterkampf werden so wenig durchdekliniert, wie aktuelle Gender-Diskurse. Alles bleibt karikaturenhaft eindimensional oder besser dual: Gut und Böse sind festgeschrieben. Zweifellos macht duales Denken die Welt griffig und produziert erwartbare Lacher beim Publikum.