„Do you want to live forever?“
Eric Gedeon, Schweizer Autor, ist bekannt für seine Songdramen, eine besondere Art der Weiterentwicklung des Liederabends. Seine Karriere begann er 1993 am Schauspielhaus Hannover als Bühnenmusiker. 2002, wechselte er als musikalischer Leiter zum Thalia-Theater in Hamburg. Er schrieb und inszenierte für das Thalia die zum Kult-Ereignis avancierten Abende Thalia Vista Social Club und The Return of the Thalia Vista. In Köln gewann er im Schauspielhaus die Gunst des Publikums mit Europa für Anfänger. Ein Abend mit Türke (2005) und Erdbeerfelder für immer. A really funny evening with singing Germans (2004).
Regisseur Wolfgang Böhm inszenierte jetzt Ewig jung am Rheinischen Landestheater in Neuss und erntete zu Recht den frenetischen Applaus eines begeistert mitgehenden Publikums. Wie bei all seinen Songdramen verzichtet Gedeon auch hier weitgehend auf Sprechtexte. Handlung und Dialog finden fast ausschließlich über Lieder statt. Im Gegensatz zum Musical sprechen und singen Sprechtheater-Schauspieler. Und das tun sie in Neuss beides famos.
Worum geht es? Irgendwo im Jahr 2061 treffen wir eine Gruppe hochbetagter Schauspieler, die einen Ausflug in ein leeres Theater machen. Sehr zum Missfallen der forschen, strengen Schwester Rosa. Ihrer Meinung nach kein Ort für das „katholische Gesangs-Café“. Hergard Engert spielt sie überzeugend ganz dem Klischee einer pragmatischen Pflegekraft entsprechend. Gesundheitssandalen und Schwesternuniform müssen sein. Mit griesgrämiger Gelassenheit versucht sie, die Alten mit Kinderliedern („Wir klatschen in die Hände“) oder mit Songs zum Thema Altwerden („Graues Haar, zitternde Hände“) zu disziplinieren. Die Senioren sind sichtlich begeistert von dem Ambiente - rote Vorhänge, eine Treppe für den Auftritt, goldene Tischdecken – was sie an ihre glorreichen Berufsjahre erinnert. Ungeduldig scharren sie mit den Hufen und verhalten sich still, bis Schwester Rosa die Bühne verlassen hat. Dann aber gibt es kein Halten. Es wird um die Wette gesungen und aus alten Rollen zitiert, sei es Tschechov oder Shakespeare. „I love Rock*n ’Roll“ oder „Forever young“ stehen als trotziges Signal für Lebensfreude und Lebenshunger. Es hat viel Komödiantisches, wenn die fünf Akteure – alles junge Schauspieler, durch fantastische Masken Jahrzehnte älter aussehend – versuchen, zu rocken, zu tanzen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Wobei Frau Schwarz (Silke Buchholz spielt sie herrlich als kauzige Alte, die kein Blatt vor den Mund nimmt) beim Tanz mit Herrn Blau (Peter Waros gibt diesen alten Hippie) handfest zugreift und sich an alte Zeiten und freie Liebe erinnert. Das Publikum amüsiert sich fantastisch und spendet häufig Szenenapplaus. Frank Rosenberger (Herr Grau) sitzt am Klavier und sorgt für den beschwingten Sound, hat er doch alle Lieder arrangiert. Herr Rot (Johannes Bauer). Herr Grün (Philippe Ledun gibt den stets um seine Ehefrau Besorgten) und Frau Weiß (Katrin Hauptmann spielt diese fast nur in der Vergangenheit lebende zerbrechliche Frau) sind die restlichen Mitglieder der bunten Truppe. Ergänzt – etwas makaber, aber irgendwie passend – durch Herrn Braun, dessen Asche in einer Urne auf dem Klavier steht. Grandios, wie die jungen Schauspieler diese alten Künstler geben. „The Show must go on“, ruft Herr Grün und führt bewährte Zaubertricks vor, die seine Kollegen mit Applaus goutieren. Her Blau und Herr Rot schlagen sich, Frau Schwarz intoniert hinreißend „Barbie Girl“. Die Stimmung wechselt zwischen rührseligen Erinnerungen an früher und Augenblicken der Dissonanz. Herr Rot hat seinen großen Auftritt auf der Showtreppe mit „Sex Bomb“. Am Schluss ziehen alle Glitzerklamotten an und schmettern: „I will survive“. Goldflitter rieselt von oben auf sie herab.
Ein großartiger, schwungvoller Abend, der das Leben feiert („Always look at the bright side of life“). Langanhaltender, heftiger Applaus-