Übrigens …

Karneval im Oberhausen, Theater

Gibt es eine echte Solidarität bei rauschhaften Festen wie dem Karneval?

Nebel wallen, auf der Bühne türmt sich eine hohe Wand aus Bierfässern auf, man hört getragene Musik. Eine Frau im Clownskostüm tritt an der Seite hervor und lacht hexenhaft. Aus der Mitte der Wand kriecht ein weißer Clown in weißem Kostüm und mit weißen Dreadlocks. Nach und nach wird die Wand zerlegt, überall erscheinen Akteure in glitzernden, prächtigen Clownskostümen, zum Teil mit rosa oder blauer Afroperücke. Man hört elektronisch verfremdete Musik. Die Karnevalshymne „Viva Colonia“ der Kölner Band Die Höhner erklingt. Ebenfalls elektronisch verzerrt. Die Clowns bewegen dazu synchron die Lippen. Die Reste der Fässerwand verschwinden langsam, die Drehbühne dreht sich. Wie so oft noch an diesem Abend. Zurück bleibt der weiße Clown. Wir sehen eine Holzwand mit Notausgang-Schild. Weitere Karnevalisten kommen herein. Diffus hört man hin und wieder einzelne Aussagen, auch elektronisch verfremdet, so die von Annegret Kramp-Karrenbauer: Mit der Kritik am Karneval gehe ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland verloren. In dieser Szene - wie auch in all den folgenden, die Drehbühne ist fast immer in Bewegung - folgt eine, sicherlich gut choreographierte, aber in der Fülle nicht aussagekräftige - Tanznummer nach der nächsten. Mehr oder weniger zu einer Art Discomusik. Verfremdete Musikzitate sind u.a. Songs von Drafi Deutscher oder Roberto Blanco oder Wencke Myhre. Auch der Karnevalssong von 1948 „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ wird intoniert. Wobei hier auf dem Ausdruck „Eingeborene“ im Kontext der Beleuchtung rassistischer Aspekte im Karneval die Betonung liegt. Sicherlich ein politisch sinnvoller Ansatz. Leider werden zu viele, zum Teil alberne Einzelideen realisiert. So fragt in einer Szene ein Jeck : „What about bayernfacing?“, in Anlehnung an Blackfacing. Ein als Österreicher verkleideter Narr meint: „Gefühle interessieren beim Fasching niemand.“ Und ein Schweizer sagt: „Vergangenheit soll man Vergangenheit sein lassen.“ Natürlich fehlen auch nicht diverse Hinweise auf die deutsche Gemütlichkeit. Aber viel bleibt - auch im wahrsten Sinne des Wortes - nebulös.

Aspekte des Karnevals, die durchaus negativ zu bewerten sind, werden nur schlaglichtartig erfasst und hätten näher analysiert werden müssen. So die Frage, inwieweit man sich durch die Kostümwahl als rassistisch outet. Eignet man sich durch ein Indianerkostüm die Identität einer Minderheit an? Bedient man schon rassistische Klischees? Wie verkleidet man sich politisch korrekt unter Berücksichtigung von „race“? Gibt es ein harmloses Feiern im Karneval überhaupt?
Eine eingestreute Erzählung an diesem Abend ist die Geschichte von Simba, dem jungen Löwen in Disneys „König der Löwen“. Gespielt von dem weißen Clown, der die Identitätssuche von Simba nach dem Tod des Vaters punktuell anspielt. Passend dazu die Zebra- und Leo-Look-Kostüme der Tänzer.

Eine Produktion mit fantastischen Kostümen und zahlreichen perfekt einstudierten Tanznummern. Aber allein die Tatsache, dass kein Wort live gesprochen wird, mindert den Eindruck. Der kritische Ansatz versickert in einzelnen Zitaten. Auf der zum Ende wieder an der Bühnenrampe stehenden Bierfässerwand steht: „Jecken raus“. Eine etwas schlichte Schlussfolgerung.

Theater hat die Aufgabe, Denkanstöße zu geben, Probleme zu analysieren und durch mitreißendes Spiel die Zuschauer anzusprechen und einzubeziehen. Dies gelang bei diesem Musical nur punktuell.