Übrigens …

Das Leben macht mir keine Angst im Schauspielhaus Düsseldorf

Wenn ich Angst hab, höchstens imTraum

Life doesn’t frighten me – Das Leben macht mir keine Angst – zur Einstimmung steht es an der Wand des Foyers im Jungen Schauspiel, das in einen bunten Mut-mach-Parcours verwandelt ist. Auf einem langen Tisch liegen Buntstifte und vorbereitete Zettel, auf die jeder seine Mut-und Glückswörter schreiben oder malen kann. An der Wand hängt ein Angebot: Mama, Papa, Bruder, Schokolade, singen, lesen…. Aber auch Zettel mit schwarzer Spinne auf grünem Grund liegen da, für das, was einem Angst machen kann. Daneben eine große Kiste mit Schlitz: der Angstfresser.

Es ist Freitagnachmittag, viele Kinder sind in Begleitung Erwachsener. Ein Gong ertönt, hochanimiert strömen die Kinder (die meisten im Grundschulalter, wenige jünger)in den Theatersaal. Auf der erleuchteten Bühne zu ebener Erde stehen Schulmöbel, eine Leiter, ein Kettcar, eine geschlossene Tür, ein Bett. Musik ertönt – sie begleitet die gesamte Aufführung, wechselt von Heavy Metal zu Klavierspiel und erzählt in drei Songs, die der Mitspieler Jonathan Gyles für das Stück schrieb, vom Leben der Dichterin Maya Angelou, deren Gedicht „Life doesn’t frighten me“ die Regisseurin Liesbeth Coltof und ihr Ensemble zur Stückentwicklung von „Das Leben macht mir keine Angst“ inspirierte.

Dann öffnet sich die Tür, sieben „Kinder“ in Shorts und T-Shirt, alle mit blauer Mütze und Mund-Nasen-Schutz stürzen auf die Bühne, fassen sich bei der Hand und balancieren über das Mobiliar, klettern halsbrecherisch auf die Leiter, landen auf dem Bett und hören nicht auf, nach Maya zu rufen, offensichtlich ein achtes Kind, das verlorenging und das in der großen Welt zu suchen, die sieben nun aufbrechen werden. Dabei werden sie Gefahren und Grusel, Anders-Sein und Ausgeschlossen-Sein erleben und überstehen. In der Gemeinschaft fühlen sie sich stark: allen voran Siegfried, der Vorderste (Jonathan Gyles), es folgen Zweite, Olga-Franz (Noemi Krausz), Der Größte, Vito (Eduard Lind, Die in der Mitte, Aiklnor (Natalie Hanslik), Der nach der Vierten, Ilker (Fatih Kösuglu), Die Vorletzte, Fred (Eva-Maria Schindele) und schließlich Die Langsame, Pani (Felicia Chin-Malenski). Die Kinder im Saal amüsieren sich, als die alle sich registrieren lassen müssen, ob so viel kurioser Namen.

Ein riesiges Stahlgestell auf neun Beinen steht plötzlich als Angst – oder Mutmacher auf der Bühne: eine Riesenspinne, (Kunstkenner fühlen sich an die Skulptur „Maman“ von Louise Bourgeois erinnert, die ebenfalls nicht Schreck, sondern Schutz symbolisieren soll.) Drum herum sechs Bühnenkinder in weißen Schutzanzügen mit überdimensionalen Fliegenklatschen, die Spinnentöter. Oben auf dem Gestell erscheint Siegfried und spricht die Kinder im Zuschauerraum direkt an. Was fällt ihnen ein, zu Spinnen? Ekelig, giftig, fies, hässlich schreien sie durcheinander. Doch Siegfried klärt sie auf: die meisten Spinnen sind nützliche Tiere, sie fressen gefährliche Moskitos.

In zwei poetischen Soli erklärt Vito die Ambivalenz der Welt. Zum Lied „Worte sind gefährlich“ greift er zum Stift und zeichnet blitzschnell auf große Tafeln das Beieinander von Glück und Gefahr. Da wächst ein schöner Baum, dann viele Bäume, ein Wald: da kann‘s gefährlich werden. Über dem Wald schweben leichte Wolken, viele Wolken, Gewitter: da kann’s gefährlich werden. Wasser und Haie, Höhlen und Lava … .Er lacht alle Schrecken weg. Dann wird es spielerisch: Auf der Bühne wird Verstecken gespielt „Eins, zwei, drei vier Eckstein …“ die Saalkinder werden einbezogen und machen begeistert mit. Später leiden alle mit dem Geburtstagskind, das nur Absagen auf seine Einladungen bekommt, bis auf Die Langsame, sie ist immer die Letzte und diesmal bekommt sie alle verschmähten Einladungen in die Hand gedrückt. Sie ist überglücklich und freut sich durch das ganze Stück hindurch.

Irgendwann begegnet die Truppe auch Außerirdischen mit neonflackernden Fühlern am Vorderteil, doch nach anfänglichem Schreck, sind das hübsche Spielsachen. Einfach und witzig sind die Kostüme, in die die quicklebendigen Bühnenkinder blitzschnell umsteigen. Am Ende hat man fast vergessen, dass diese tolle Truppe gar keine Kinder, sondern im wirklichen Leben Erwachsene sind. Nur ein ganz pfiffiger kleiner Junge von vier Jahren bemerkt es: Als Jonathan Gyles ziemlich gegen Ende des Stücks noch einmal behauptet, keine Angst zu haben, ruft er: „Du bist aber kein Kind“, und Jonathan versichert ihm, dass das für Kleine und Große gilt. So kommt man zu dem Schluss: Ein bisschen Angst hat jeder und sei‘s nur im Traum. Selbst die Angst hat Angst - vor dem Tag. Groß an der Rückwand erscheint Maya Angelou im Video und trägt ihr Gedicht im Original vor.

Unter bunt flackerndem Licht endet das ernsthafte und doch ein bisschen verrückte Stück mit einem Tanz - alle in Tüllröckchen über den Shorts - der das junge Publikum noch einmal köstlich amüsiert, bevor es die tolle Truppe mit begeistertem Applaus verabschiedet.