„If music be the food of love, play on“
Auch beim diesjährigen Shakespeare Festival in Neuss dürfen „The HandleBards“ aus England nicht fehlen. Die Schauspieler dieser Truppe verstehen sich als freies radelndes Theater, das am liebsten im Freien spielt. Der Name leitet sich von „handlebars“, den Fahrradlenkern, her. Ergänzt durch ein „d“ als Reverenz an den Barden Shakespeare. Nach Neuss kam die Truppe jetzt allerdings mit dem Zug. Dennoch ließen sich ihre wenigen Requisiten jederzeit mit dem Rad transportieren. Ein bunt gestreifter Vorhang in der Mitte der Bühne erlaubt schnelle Kostümwechsel. Ein Fahrrad steht an der Seite der Bühne, kommt aber selten zum Einsatz.
Twelfth Night („Was ihr wollt“) gehört zu den verworrensten Komödien Shakespeares. Irrungen, Verwechslungen, Maskeraden bestimmen das Geschehen, welches zugleich eine äußerst sentimentale Liebesgeschichte erzählt. Ort der Handlung ist Illyrien, wo man für die Poesie das Trinken und die Liebe hält. Die Zwillinge Sebastian und Viola sind nach einem Schiffbruch an die Gestade Illyriens gespült worden und glauben sich gegenseitig verloren. Violoa kommt - als junger Mann verkleidet, der sich Cesario nennt - in die Dienste des Herzogs Orsino, in den sie sich rasch verliebt. Orsino selbst liebt Olivia, die wiederum ihr Herz an den vermeintlichen Knaben Cesario verliert. Sir Toby Belch und Sir Andrew Aguecheek, zwei Saufkumpane, die es sich in Olivias Haus gemütlich gemacht haben, gehören zum weiteren Personal dieser Komödie. Ebenso wie Olivias sich moralisch aufplusternder Haushofmeister Malvolio, der eine sehr hohe Meinung von sich selbst hat. Die beiden Trinkkumpane spielen ihm, zusammen mit der Zofe Maria, einen üblen Streich, vor dem ihn etwas mehr Selbstkritik und weniger Eitelkeit hätten bewahren können.
Das Ensemble der HandleBards besteht aus zwei Frauen und zwei Männern, die alle mühelos mehrere Rollen meistern. Sie tragen knielange Hosen und Hosenträger, einfache Hemden und farbige, bis zum Knie hochgezogene Kniestrümpfe. Die Stimmung im Globe ist bestens von Anfang an, aufgeheizt durch Songs zur Gitarre, die an die legendären Dubliners erinnern. Das turbulente Spiel reißt jeden im Publikum mit. Fantastisch, mit wie wenig Mitteln der Rollentausch gelingt. Roisin Brehony wirft sich ein Spitzentuch über und überzeugt schon als zunächst unnahbare Olivia. Dann wirft sie sich in ein altes Tweedjacket, trägt einen Schnurrbart und ist zweifelfrei Sir Toby. Natürlich auch, was Gang und Gehabe betrifft. Bronte Tadman wechselt vom smarten Sebastian mühelos in die Rolle der Zofe Maria, die neben Häubchen und Schürze recht voluminöse Brüste vor sich herträgt, zwei Luftballons, die häufig platzen. George Attwell Gerhards vertauscht die Uniformjacke, die er als Orsino trägt, mit Brille und Schal und wird zum penetrant von sich überzeugten Malvolio. Höchst unterhaltsam, ihm bei seinem Eigenlob zuzuhören, wenn er den scheinbar von seiner Herrin verfassten Liebesbrief findet: „What employment have we here?“ und sich in größenwahnsinnigen Liebesfantasien ergeht. Eddie Mann glänzt auch in mehreren Rollen. Eine rote Kappe macht ihn zum Narren, der hinreißend singt.
Die Inszenierung setzt sowohl auf Slapstick und pralle, zum Teil derbe Komik wie auch auf emotionale Momente. Alle Mitglieder des Ensembles sind sehr musikalisch und spielen mitreißend diverse Instrumente.
Insgesamt ein absolut packender Abend, nicht eine Sekunde langweilig. Shakespeare at his best!