Übrigens …

Falstaff im Köln, Schauspiel

„Banish John Falstaff and you banish the world.“

John Falstaff, eine Genussfigur par excellence, wurde von Shakespeare erfunden. Giuseppe Verdi benannte eine Oper nach ihm. In dem Kölner Shakespeare Projekt, das jetzt zur Aufführung kam, spielt Falstaff eine Rolle, so wie er sie in den beiden Dramen Heinrich IV., Teil 1 und 2 spielt. Diese beiden Werke gehören unter anderem zu den Historiendramen, die eine ganze Epoche englischer Geschichte dramatisieren. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung, so um 1600, lag diese 200 bis 100 Jahre zurück. Könige und Machtkämpfe um den Thron sind zentrale Themen.

Falstaff, ein verarmter dicker Ritter ohne Pferd, ist ein sinnenfroher, lebenslustiger Mann, der lieber mit seinen Kumpanen in seiner Stammkneipe „Zum Wilden Schweinskopf“ zecht als den Ruhm auf dem Schlachtfeld zu suchen.

Regisseur Jan Bosse lässt den zweistündigen ersten Teil des Abends auf der großen Bühne im Depot 1 spielen. Bierbänke und lange Tische laden die Zuschauer ein zum gemütlichen Volksfest unter Girlanden mit Biergartenatmosphäre. Auf den Tischen stehen Brezeln, jeder bekommt ein Kölsch. Und im Laufe des Abends noch einige Gläser Freibier mehr, sponsert doch eine bekannte Kölner Brauerei die Produktion und die von Falstaff verkündete Devise lautet: „Heute wird getrunken!“ Es sei die „Stunde des Rauschs“. Bruno Cathomas ist die Idealbesetzung für diesen Lebemann - allein schon seine Leibesfülle ist beeindruckend, dazu sein polterndes, lebensbejahendes Spiel. Die Schauspieler marschieren mit viel Getöse ein und agieren äußerst spielfreudig im weiteren Verlauf des Abends zwischen den Zuschauern, die eng zusammensitzen, als habe es nie Corona gegeben. Punk-Rock-Musik, konzipiert von Carolina Bigge, die auch die ganze Zeit das Bühnengeschehen immer wieder mit ihrer Gitarre begleitet, trägt zur aufgeheizten Stimmung bei. Falstaff: „Man muss immer trunken sein, um nicht die furchtbare Last der Zeit zu spüren.“ Ein unbeherrschter, sinnenfreudiger, aber auch liebenswerter Chaot, der nach dem Motto lebt: „Witz ist besser als Besitz.“ Prinz Hal (hervorragend: Katharina Schmalenberg), der Sohn des Königs, fühlt sich von Falstaffs ungehemmter Lebenslust angezogen, ist sie doch das Gegenteil von dem, was von einem Thronfolger erwartet wird. Falstaffs Kumpels sind Pistol (Justus Maier glänzt als ungestümer Rebell und Heißsporn, der sich gegen „schmierige Lokalpolitiker“ auflehnt), Quickly (Peter Knaack) und Poins (Kristin Steffen). Alle sehr trinkfreudig und unbeherrscht. Ganz im Gegensatz dazu Yuri Englert als Worcester. Beeindruckend als einer der Verschwörer, der ruhige Töne anschlägt. Stefko Hanushevsky spielt Glendower, der auf der Bühne sehr überzeugend singt: „I am the chosen one.“ Überhaupt besticht Hanushevsky durch diverse musikalische Einlagen. Jörg Ratjen stürmt - mit schwarz umrandeten Augen und Hermelinumhang - als König Henry IV. auf die Bühne und tritt ans Rednerpult. Krieg sollte es in seinem Land nicht mehr geben. Ein frommer Wunsch, wie sich schnell herausstellen wird. Höchst unzufrieden ist er mit dem zügellosen Leben seines Sohnes: „Du hast durch deine rüde Art deinen Platz im Rat verloren.“ Später wird der Prinz als Henry V sich an die staatsmännischen Pflichten erinnern und sich im „Zeitalter der Ernsthaftigkeit“ von Falstaff lossagen, der das nicht fassen kann: „Banish John Falstaff and you banish the world.“
Nach der Pause sitzen die Zuschauer wieder wie üblich im Zuschauerraum. Die Schauspieler agieren auf der Bühne. Das Fest ist vorbei.

Was nimmt man von diesem Abend mit? Viel Spaß beim Zuschauen des spielfreudigen Ensembles, vor allem Bruno Cathomas besticht durch sein uneitles, ungehemmtes und sinnenfreudiges Spiel. Jede Menge Klamauk und derbe Witze, aber auch exzellente Schauspieler… und doch fragt man sich, ob das alles war. Vielleicht sollte man sich unkritisch auf solch ein clever inszeniertes Spektakel ohne allzu viel Hintergründigkeit einlassen?