Übrigens …

Biedermann und die Brandstifter im Schauspielhaus Düsseldorf

Harmonie ist (k)eine Strategie

Gottlieb Biedermann ist ein pflichtbewusster Bürger, dessen Leben in geregelten Bahnen verläuft. Als eines Abends ein Fremder vor seiner Tür steht und um Einlass bittet, gerät die Biedermannsche Ordnung durcheinander. Trotz seines Verdachts, dass der Fremde ein Brandstifter ist, lässt Biedermann ihn mit einer Freundin bei sich einziehen. Selbst als die beiden Benzinfässer ins Haus bringen, will Biedermann nicht der augenscheinlichen Wahrheit ins Auge blicken: „Ich kann nicht Angst haben die ganze Zeit.“ Trotz der Herzkrankheit seiner Frau, die er oft erwähnt. Die Angst der Biedermanns wird jeden Tag existentieller, ihre Fehleinschätzung der Lage ebenfalls. Biedermann ist ein typischer Spießbürger, der meint, die Umstände, hier das Auftreten der zwei Brandstifter, seinen Interessen anpassen zu können. Absolut fantasielos geht er davon aus, die Situation im Griff zu haben. Gastfreundschaft und etwas guter Wille werden der – eigentlich unübersehbaren – Gefahr schon Einhalt gebieten. „Wenn man jedermann für einen Brandstifter hält, wo führt das hin?“

Max Frisch nannte sein Werk „Lehrstück ohne Lehre“. 1958 wurde es in Zürich uraufgeführt. Der Regisseur Adrian Figueroa verortete Biedermann und die Brandstifter jetzt bei seiner Inszenierung im Kleinen Haus im Heute, denn ganz im Sinn von Max Frisch erhält eine Parabel erst ihre Bedeutung durch die Konfrontation mit den Problemen der Gegenwart an dem Ort, wo sie gespielt wird, so der Dramaturg David Benjamin Brückel. Er spricht auch von einer „Interpretationsoffenheit“ des Textes, die verschiedene Sichtweisen auf die Aussagen dieses Klassikers, der trotz der drohenden Katastrophe auch durchaus auch amüsante Momente enthält. So zum Beispiel, wenn Babette Biedermann dem ungebetenen Gast Joseph Schmitz Käse zum Frühstück mit einem langen Messer reicht.
Das Bühnenbild und die Kostüme erinnern an Gotham City oder einen vergleichbaren düsteren Ort, wo Feigheit und Lügen über Zivilcourage dominieren. Wir sehen eine Art großes Puppenhaus mit Treppenaufgang und einem Dachboden, der auf die Bühne heruntergelassen werden kann. Schwarz ist die dominierende Farbe. Projektionen der Gesichter der Akteure und Lichteffekte schaffen zusammen mit knisternden Geräuschen eine unheimliche Atmosphäre. Am Ende senkt sich der Bühnenboden ab und alles versinkt in roten Flammen. Fahrstuhl in die Hölle.

Zu Beginn tritt Thiemo Schwarz als Feuerwehrmann in staubiger Uniform auf und hält einen Prolog: „Feuergefährlich ist viel, aber nicht alles, was feuert, ist Schicksal, unabwendbar.“ Der Regisseur hat den Chor der Feuerwehrleute auf diesen einzigen Mann reduziert. Sebastian Tessenow überzeugt als zunächst selbstgerecht auftretender Fabrikant Biedermann. Ein ehrenwerter Bürger, der kein Problem damit hat, einem langjährigen Angestellten zu kündigen. Auch dessen Selbstmord berührt ihn nicht. Am Stammtisch hat er gerade noch gefordert, die durch die Stadt ziehenden Hausierer, die sicherlich alle Brandstifter seien, kurz und schnell aufzuhängen. Als jedoch Joseph Schmitz (großartig: Andreas Grothgar) mit einer Mischung aus Dreistigkeit und Einschleimen Zugang zu seinem Haus fordert, traut sich Biedermann nicht, ihm das zu verweigern, sehnt er sich doch auch nach Menschlichkeit. Er lässt ihn sogar mit einer Freundin, Wilma Eisenring (herrlich: Sophie Stockinger) auf dem Dachboden wohnen. Trotz deren offener Mitteilung, dass sie Brandfässer dorthin gebracht haben und Holzwolle und Zündschnur besorgen wollen. Wie sagen Eisenring und Schmitz es so treffend: „Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise.“
Hanna Werth spielt die herzkranke Babette Biedermann, die sich trotz eigener Befürchtungen dem Willen des Gatten fügt und sogar ein Gänseessen vorbereitet. Wenn sie so mit der riesigen, noch ungerupften Gans unter dem Arm dasteht, ist das wieder einer der komischen Augenblicke.

Insgesamt ein fesselnder Abend, der den Zuschauer nachdenklich entlässt. Hat doch jede Zeit ihre ganz konkreten Probleme und Unsicherheiten. Verdienter, sehr lebhafter Beifall.