Übrigens …

Die Steilwand im Münster, Wolfgang-Borchert-Theater

Schlagabtausch in Höhenluft

Das ist der Plan: Anna, Julia, Kathy und Laura wollen als erstes Frauenteam einen Anden-Gipfel besteigen. Dann winkt nicht nur Ruhm und Ehre – das Vorhaben dürfte sich auch für jede finanziell vorteilhaft ausbeuten lassen.

Doch während sie im Basis-Lager auf gutes Wetter warten, stellt sich heraus, dass Julia gesundheitlich nicht in der Lage sein wird, den Gipfel zu erklimmen. Schlimmer noch: Sie wird auch nicht allein wieder absteigen können. Wer darf den Aufstieg angehen und wer muss mit Julia zurück? Als diese Frage gestellt ist, kommt Jodi Galcerans Die Steilwand nach einer sehr langen Exposition endlich in Schwung. Denn jetzt brechen bisher verbrämte Konflikte zwischen den Protagonistinnen auf und die ostentativ zur Schau getragene Frauensolidarität hat schnell ein Ende und mündet in unverhohlene Egoismen. Jede hat da noch ein paar Giftpfeile im Köcher und schießt sie gnadenlos ab, um sich als beste Kandidatin für den Aufstieg in Stellung zu bringen. Ganz gezielt werden Schwachstellen ausgelotet und gnadenlos genutzt. Da hat auch endlich das Publikum sein Vergnügen und kann dem Schlagabtausch ergötzlich lauschen. Und doch erschöpfen sich die Pointen schnell, da sie ständig um dasselbe Thema kreisen. Das ist irgendwann einfach ermüdend. Da ist man froh, wenn zum Schluss alle Konflikte beigelegt werden können und Animositäten ausgeräumt. Und dann nimmt frau den Sturm auf den Gipfel im Team in Angriff. Wie schön!

Borchert-Intendant Meinhard Zanger inszeniert mit gewohnter Präzision und Routine. Stets behält er die Übersicht, kontrolliert das Geschehen auf der Bühne und schafft klare, einsichtige Figurenkonstellationen, die stets durchdacht und sinnvoll sind. Olga Lageda – beliebter und geschätzter Dauergast am Wolfgang-Borchert-Theater – erschafft eine Bühne, die das Basis-Lager abbildet und in deren Mittelpunkt ein Camping-Kocher mit vier Bechern steht als Sinnbild für Gemeinsamkeiten, die Trennendes überwinden, steht. Den sehr unterschiedlichen Charakteren der Bergsteigerinnen trägt Lageda Rechnung durch in unterschiedlich farbintensiv gestalteter Outdoor-Kleidung.

Iris Boss, Rosana Cleve, Erika Jell und Ivana Langmajer bemühen sich nach Kräften, Funken zu schlagen aus einem Text, der das nur sehr begrenzt zulässt. Sie giften sich an und gestalten Zickenterror wie auch später ein Höchstmaß von Solidarität. Jede Möglichkeit des Textes wird ausgenutzt. Das verdient höchsten Respekt!

Und letztlich ist das Happy-End so schön, dass das Publikum mit einem wohlig-warmen Gefühl im Magen nach Hause gehen kann, so als hätte es von den Bergsteigerinnen einen Schluck heißen Tees angeboten bekommen.