Übrigens …

Robin Hood im Schauspielhaus Düsseldorf

Prinzip Robin Hood: Alle gehören dazu

Familientheater: die 760 Plätze im Großen Haus sind bis auf den letzten besetzt, geschätzt zu zwei Dritteln von Kindern im Grundschulalter.

Auf der Bühnenwand sind vor einem mächtigen Burggemäuer Bäume angedeutet, dazwischen steht in großen Lettern SHERWOOD, allerdings ist das SHER gestrichen und mit SHARE überschrieben. Wer sich auskennt weiß, dass die altenglische Legende das Treiben des Robin Hood im SHERWOOD FOREST ansiedelt. Allerdings wandelt sich der in den spätmittelalterlichen Balladenzyklen als gefährlicher Wegelagerer gefürchtete Antiheld Robin Hood im Laufe der Jahrhunderte in vielen Umdichtungen zum Patrioten und schließlich im 16./17. Jahrhundert zum Sozialrevolutionär, der den Reichen nimmt und den Armen gibt: er wird gerecht teilen, eben SHARE. Wir sind ja im englischen Nottingham. „Alles für Jeden!“ singen die Revolutionärinnen später im Stück.

David Bösch reduziert als Autor und Regisseur das opulente Opus auf den Kampf um den Königsthron, um die gerechte Königswürde für Richard Löwenherz, den es zu finden und zu befreien gilt. Richard wird dem Volk die Gerechtigkeit bringen, die ihm der selbstinthronisierte, unmoralische jüngere Bruder, Prinz John, verweigert. Er wird eben alles gerecht verteilen. Eine einfache Geschichte, die jedes Kind versteht und die eine junge Frau mit roter Ponyfrisur und einem Outfit zwischen Wander- und Militarylook vor der Bühne ankündigt. „Vor hunderten von Jahren ….“, beginnt sie in Versen und endet mit der Frage ans Publikum: „Wollt ihr mit mir König Löwenherz befreien?“ „Ja!“, schallt es zurück während der Blick auf die Bühne freigegeben wird und drei Live-Musiker, die das ganze Stück als Mitspieler begleiten werden, zusammen mit dem Mädchen den Song anstimmen: „Ich bin Robin Hood“! (Eine weibliche Robin Hood Besetzung gab es übrigens auch schon vor zwei Jahren in Wuppertal unter Henner Kallmeyer.)

Nicht nur das Geschehen, auch das Personal reduziert David Bösch auf das Notwendigste: so wendet sich Robin (kraft- und temperamentvoll gespielt von Sophie Stockinger), wenn sie ihre „Bande“ zusammenruft, immer wieder ans Publikum und an die Band, die dann mal eben zur Band-e wird. Und alle spielen begeistert mit. Auf der Bühne schließen sich ihr noch zwei toughe Frauen an: Little John (als rasante Stockkämpferin: Annina Hunziker) und Marian (höchst präsent: Yulia Yanez Schmidt), die zunächst von persönlichen Rachegefühlen getrieben wird, da die Leute des falschen Königs John ihre Eltern ermordeten. Während in der Legende Robin und Marian eine Liebesbeziehung eingehen, bleibt es bei den Frauen bei einer verlässlichen Freundschaft, einer „Blutsschwesternschaft“, die mit Dolchen besiegelt wird. Überhaupt wird viel gekämpft in diesem Stück, sei es mit langen Stöcken, Pfeil und Bogen oder klirrenden Schwertern. Doch dazu braucht‘s noch den Bösen, den Schwarzen Ritter, den Prinz John auf Robin Hood ansetzt, nicht zuletzt, weil der gleich zu Beginn des Spiels mit einem rasanten Pfeilschuss seinen Lieblingshirsch Freddy am Geweih verletzte. Interessant, dass hier nicht gegendert wird: sowohl der dumm-dämliche Prinz John als auch der gefährliche Schwarze Ritter(ein Weißer Mann in schwarzer Rüstung, ziemlich bedrohlich gegeben von Mehdi Moinzadeh) werden mit Männern besetzt. Während sich die Bühne weiterdreht, erscheint auf einem Video das Motto: Alles für Alle!

Doch was dann erscheint, ist das Gegenteil: Auf aufgetürmten Schätzen und Süßigkeiten thront der selbsternannte, feiste König John in rot-goldenem Luxuskostüm mit heraushängendem, vorgeschnalltem Bauch. Während er Zuckerwatte-Mäuse in sich hineinstopft, fallen auch mal Begriffe wie iPod und PlayStation oder Hinweise aufs Waldsterben, ansonsten gibt’s keine Modernismen (wenn man ein Brecht-Zitat nicht dazurechnet). Jonas Friedrich Leonardi gibt diesen anmaßenden Vielfraß herrlich komisch, darf allerdings zum Schluss auch als befreiter Richard Löwenherz die Sympathie des Publikums genießen: Ein lebenskluger Hinweis, dass das Böse und Gute manchmal nahe beieinanderliegen. Doch hier und heute siegt erst einmal das Gute: Richard wird in Frankreich befreit, nachdem wir mit der Hood-Bande durch Bühnennebel, Licht- und Klanggewitter das Meer überquerten. Das bleibt aber auch der einzige Bühnenzauber. Ansonsten bietet die eifrig betriebene Drehbühne nur formal und farblich sparsame Hinweise auf Wald und Burg (Bühne: Patrick Bannwart).

Was die Bühne über achtzig Minuten höchst dramatisch und unterhaltsam, gelegentlich gar turbulent, ausfüllt, ist das phantastische Spiel dieser Schauspieltruppe, in die sich die rockenden Musiker ((David Bartelt, Stefan „ Pele“ Götzer, Karsten Riedel) nicht nur mit vielen Songs temperamentvoll einfügen. Erfreulich, wie gut verständlich Songs und Verse rüberkommen und wie spontan und begeistert die Kinder – mal einzeln und ungefragt, mal angesprochen und im Chor – mitgehen und reagieren. Sie sind ja Mitspieler, Teil der Bande: sie nehmen Robin Hoods Aufforderung am Spielbeginn, Löwenherz zu befreien, sehr ernst und werden immer wieder von der Heldin einbezogen.

Am Ende wird alles umjubelt: der Sieg des Guten, das rasante, oft lustige Spiel und vor allem die herrliche Robin Hood.