Übrigens …

Wenn wir einander ausreichend gequält haben im Köln, Schauspiel

Das ist keine Überwachung, das ist Liebe

Martin Crimp, 1956 in Dartford (Kent) geboren, studierte in Cambridge englische Literatur. In den 1980ern beginnt er, Stücke für das Theater zu schreiben. Auf dem Lande, Das stille Kind und Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino machen ihn zu einem der meistgespielten britischen Dramatiker. In der Laudatio von Till Briegleb zur Verleihung des Jürgen Bansemer & Ute Nyssen Dramatikerpreises an Crimp heißt es: „Zerstörte Städte, zerstörtes Vertrauen, zerstörte Beziehungen, das sind Martin Crimps wiederkehrende Themen. Happy End? Unbekannt.“

Crimps Stück Wenn wir einander ausreichend gequält haben basiert auf dem 1740 erschienenen Tugendroman des britischen Schriftstellers Samuel Richardson: Pamela, or virtue rewarded. Es ist die Geschichte eines jungen Adligen, der sich in eine schöne, junge Magd verliebt, die er wegen der gesellschaftlichen Konventionen nicht heiraten kann, Auch mit einer Entführung kann er sie nicht gewinnen, da sie ablehnt. So wird ihre Tugend mit einem Heiratsantrag belohnt.
Crimps Stück behandelt diesen Stoff in 12 Variationen. Dabei greift er einerseits auf Aspekte der Romanvorlage zurück, beleuchtet aber andererseits die klassischen Geschlechterzuschreibungen kritisch.
Thomas Jonigk inszenierte die deutschsprachige Erstaufführung von
Wenn wir einander ausreichend gequält haben im Depot 2 des Schauspiels Köln auf eine überaus kluge, aber auch unterhaltsame Art. Schon die Bühne – ein weißer, moderner Bungalow mit einem weißen Carport, in dem ein weißer Audi steht – setzt das Geschehen ins Heute. Ein automatischer Elektrostaubsauger fährt zu Beginn surrend über die Spielfläche. Der Mann (Jörg Ratjen ) stellt bei der Begegnung mit der Frau energisch fest: „Du bist ein Kind und ich bin ein Mann. Ich habe Macht und du keine.“ Jedoch reagiert die selbstbewusste Frau (Ines Marie Westernströer) nun gar nicht so auf seine Angebote (z.B. Immobilien), wie er es erhofft. Er nennt sie Pamela und sie sagt: „Ich heiße nicht Pamela.“ Überhaupt hat sie durchaus eigene Vorstellungen von Emotionen, die sich recht krass anhören. So sagt sie mehrfach: „Ich möchte lieber vergewaltigt werden als gelangweilt.“ Ständig wechseln sich Machtspiele ab. Mal wird die männliche Dominanz behauptet, dann wieder in Frage gestellt. Mann und Frau tauschen häufig die Rollen, Es geht sogar so weit, dass sie ihn „Pamela“ nennt. Nichts ist jedoch definitiv entschieden. Eine weitere Person in diesem Rollenspiel ist die Haushälterin Mrs Jewkes. Marek Harloff verkörpert sie äußerst beeindruckend. Merkwürdig, dass er sich als dicke Hausangestellte beschreibt, jedoch in Realität sehr schlank ist. Unklar, wie er seine Herrin sieht. Liebt er sie als Mann oder als Frau? Vieles bleibt unklar. So auch die Erzählung der Frau, wie sie versuchte, dem häuslichen Gefängnis zu entfliehen. Ist es wirklich ein Gefängnis oder nur ein Rollenspiel? Welche Rolle spielen die beiden Mädchen, die immer wieder in kurzen Szenen auftauchen? Was ist in dieser Geschichte real, was ist vorgetäuscht? Jonigk gelingt es jedenfalls, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten.
In der letzten Szene sitzen Ratjen und Westernströer harmonisch zusammen, offensichtlich verheiratet. Ratjen spielt die Frau, Westernströer den Mann. Man tauscht Banales über ein Picknick aus, Sie beklagt sich über die Vorbereitungsarbeit, während er es nur nett haben will. Der Wortwechsel kommt einem bekannt vor. So sagt Ratjen: „Du hörst mir nie zu, weil ich eine Frau bin.“

Ein überaus witziger, abwechslungsreicher Abend mit hervorragenden Schauspielern, der so manche Überraschung bietet. Zu Recht stürmischer Beifall. Absolut sehenswert.