Aus - für Wüstling Don Giovanni
Was könnte man erwarten unter dem Titel Don Giovanni? Vielleicht Mozarts Musik, dazu einen Wüstling als Frauenverführer und Duell-Mörder und nicht zuletzt den steinernen Rächer – doch nichts von alldem. Kein Mozart und kein Da Ponte. Vielmehr befragt die schwedische Regisseurin Farnaz Arbabi mit den Autoren Jens Ohlin und Hannes Meidal in dem Schuldrama Don Giovanni Rollenbilder heutiger junger Menschen. Dabei wird diskutiert, gestritten, gegen Ende berichtet, doch gegen alle Erwartung wenig gesungen. Die sparsam eingestreuten Songs von Mathias Höderath und Matts Johan Leenders bringen nur entfernt Anklänge an Mozart, eher an Boybands und Hip-Hop.
Das Ganze spielt in einer angedeuteten Schulklasse vor einer beige-rosa gemaserten Rückwand mit großer Schultafel und einer Reihe Smileys. Davor vier Schultische und ein scheinbar grinsendes Skelett. Drei Jugendliche stürmen herein, später folgt die Lehrerin Frau Steinhügel-Steinhügel (so albern und hart wie der Name, reichlich überzogen von Eva-Maria Schindele dargestellt). Das musikalische Schulthema wird eingespielt und man singt im Chor: „Die 6A ist die beste Klasse der Welt … weil wir halt ganz normal sind“. Doch dann taucht „Die Neue“ auf, Elvira (selbstbewusst gegeben von Felicia Chin-Malenski), die so ganz unangepasst ihre eigene Meinung und ihren eigenen Stil vertritt.
Die Namen der jungen Leute: Elvira, Anna (schüchtern und anpassungsbereit: Natalie Hanslik) und Leporello (als unsensibler Opernnarr: Jonathan Gyles) sind der Oper entlehnt, aus Giovanni wird hingegen Johan (schwerfällig gegeben von Fatih Kösoglu). Dieser Johan hat so gar nichts von einem Verführer Giovanni, er versucht vielmehr mit Brutalität - dem falschen Rat des Opernfreundes folgend - seinen ihm vermeintlich zustehenden männlichen Anspruch durchzusetzen. Allerdings erspart die Regisseurin dem vorwiegend jugendlichen Publikum harte Gewaltszenen. Die Stelle, in der es heißt: Leporello macht einen Polizeigriff, … Johan sitzt rittlings auf Elvira, blockiert ihre Beine, …Anna hält ihr den Mund zu, diese Szene wird nicht erspielt, sondern von Elvira berichtet, dabei verlässt sie die Bühne und kommt dem Publikum ganz nahe. Schwer nachvollziehbar erscheint dabei die Rolle der Lehrerin, die wegschaut, immer mit der Gruppe und gegen Elvira agiert und dabei zweifellos die Rollen-Klischees der Gesellschaft übernehmen soll. Das tut sie allerdings in dieser Inszenierung so zickig und hysterisch, so mit sich selbst beschäftigt, dass sie unglaubwürdig bleibt. (Vielleicht sind wir in Zeiten von # MeToo auch schon etwas weiter.)
Wenn am Ende die alte Gruppe - Lehrerin und Jugendliche ohne Elvira - als 7A im gleichen Stil und Ambiente wie zu Beginn weitermacht, kann man das Versprechen im Flyer des Schauspielhauses, dass das Erlebte die „Sicht auf ihr Miteinander verändert und die Figuren eine neue Haltung finden lässt“ nicht erkennen. Da schleicht sich eher die resignierende Vermutung ein, dass nach wie vor ein System herrscht, das „zuerst das Opfer sexualisierter Gewalt in Frage stellt, statt ihm zu helfen“ , so im Programmheft zu lesen, wie auch, dass das Stück und die Inszenierung einen feministischen Blick auf patriarchale Gesellschaftsstrukturen werfe. Mir erscheint der Blick zwar kritisch, nicht aber feministisch. Wobei die stark karikierte Lehrerin in ihrer Albernheit wohl als Beispiel bröckelnder Kraft veralteter Rollenbilder zu interpretieren ist. Auch wenn sie selbst es noch nicht so wahrnimmt. Text, Inszenierung und Begleitmaterial richten sich an Jugendliche und wollen zur Diskussion anregen. Leider gerät das Angebot etwas eindimensional.