Geld oder Liebe! Geht beides?
Weniger ist hier eindeutig mehr: einen Sessel und eine Stehlampe, mehr benötigt Christina Mrosek im Grunde nicht. Licht als wichtigstes Mittel der Bühnengestaltung sorgt für Struktur und Farbe. Und schon ist die Spielfläche bereitet für Molières Geizige, diese ewig junge Komödie um Harpagon, dessen einziges Interesse die Akkumulation des von ihm in seinem Keller angehäuften Kapitals ist und der dafür bereit ist, das Glück seiner Kinder zu opfern. Wie die den Alten dennoch überlisten und nach vielem Hakenschlagen zum Happy-End kommen, darum geht es. Im Meta-Text aber natürlich auch um die Macht des Geldes. Da hätte es der Video-Einspielungen, die Bezüge zur Gegenwart herstellen, nicht bedurft, werden auf der Bühne doch genügend Assoziationen evoziert.
Cilli Drexel setzt auf die Wirkung der Sprache. Mit feingesponnener Personenführung bringt die Regisseurin Molières Worte, die mit Nadelstichen gespickt sind, voll zur Geltung. In der Übersetzung von Heike Frank haben aber auch die volkstheaterhaften Züge ihren Raum. Drexel spart auch durchaus nicht mit ein paar Derbheiten und platziert in Gestik und Mimik die eine oder andere Anzüglichkeit - eine ziemlich perfekte und ausgeglichene Mélange. Janine Werthmanns Kostüme unterstreichen mit einigen grellen Anlehnungen an die Commedia dell‘arte das Regiekonzept.
Und so entwickelt sich auf der Bühne ein munterer Reigen mit feiner Klinge ausgefochtener Wortduelle. Bei nie nachlassendem Tempo werden ständig neue Überraschungen in der Handlung präsentiert und von den Akteurinnen mit großer Wonne gestaltet. Da haben sieben Frauen ganz großen Spaß an den Geizigen, feuern sich gegenseitig an, setzen ein Sahnehäubchen nach dem anderen.
Das gilt für die Liebespaare: Agnes Lampkin als Cléante und Rose Lohmann als Mariane befinden sich als Frischverliebte noch in der Phase dauernder Verzückung, die sich bisweilen jäh an der Wirklichkeit stößt. Da sind Élise und Valère (Clara Kroneck und Nadine Quittner) schon im nächsten Stadium angekommen. Bei ihnen geht es schon mal etwas „handgreiflicher“ zu und es werden konkrete Zukunftspläne geschmiedet. Carola von Seckendorff stößt als Diener La Flèche in der Tat immer pfeilschnell und wortgewandt zu, wenn sie meint, einen Vorteil für sich zu wittern.
Wie so oft ist Regine Andratschke Garantin für Komik vom Allerbesten. Bierernst, dabei zutiefst witzig, ist sie die Dea ex machina, die als Anselme das Ende für alle gut werden lässt. Und entwickelt vorher als Frosine immer wieder neue Pläne, um ins Geschehen einzugreifen und sich finanzielle Vorteile zu sichern. Das tut sie wortreich, mit Sätzen, die ins Stocken geraten, abbrechen oder sich wie Lawinen ins Tal walzen. Ihre Zunge scheint mit ihren Gedanken nicht Schritt halten zu können.
Katharina Brenner ist Harpagon - zerfressen von seiner Sucht nach Geld, der er alles unterordnet. Brenner ist tückisch erfinderisch, wenn es darum geht, Fallstricke auszulegen. Sie ist glücklich wie ein Kind, wenn sie gleich Dagoberta Duck ein Bad in ihrem Erspartem nimmt. Und sie ist zutiefst verstört, wenn sie wie Gollum aus Dem Herrn der Ringe den Verlust ihres „Schatzes“ beklagt.
Und auch das Ende trägt zu einer gelungenen Inszenierung bei. Regisseurin und Akteurinnen ziehen noch einmal alle Register und erzählen das „gute Ende“ mit Rasanz und Stringenz, so dass jeglicher Anflug von Banalität, der da durchaus in der Luft liegt, erst gar nicht aufkommen kann.