Übrigens …

Der Gott des Gemetzels im Köln, Schauspiel

Fruchtlose Bemühungen einer pseudozivilisierten Kommunikation

Nicolas Sarkozy sagte in einem Gespräch mit Michel Onfray einmal: „… dass der Mensch gefährlich sein kann. Das ist der Grund, warum wir die Kultur der Zivilisation brauchen. Es gibt nicht gefährliche Individuen auf der einen und unschuldige auf der anderen Seite. Nein, jeder Mensch trägt Unschuld und Gefahr in sich.“

Und genau darum geht es in Yasmina Rezas erfolgreichem Stück Der Gott des Gemetzels. Zwei Elfjährige haben sich gestritten und zwei verlorene Schneidezähne sind das unschöne Ergebnis. Die Eltern der beiden, modern, zivilisiert und eigentlich konsensorientiert, wollen die Angelegenheit bei Kaffee und Gebäck gütlich aus der Welt schaffen. Aber in dieser intelligent geschriebenen Komödie voller pointierter Dialoge, die messerscharf ins Schwarze treffen, stehen unversehens die Erwachsenen mit ihren Lebensanschauungen und Werten am Pranger. Und das zivilisierte Versöhnungstreffen läuft aus dem Ruder.

Das Stück Der Gott des Gemetzels wurde 2006 am Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Jürgen Gosch uraufgeführt. Es gehörte schon nach zwei Jahren zu den erfolgreichsten Theaterstücken der letzten Jahrzehnte. 2011 verfilmte Roman Polanski den Stoff mit Christoph Waltz, Kate Winslet, Jodie Foster und John O’Reilly. Auch am Schauspiel Köln kam diese Komödie in der Regie von Karin Beier schon einmal zur Aufführung.

Der junge Regisseur Tristan Linder inszenierte jetzt Der Gott des Gemetzels auf der großen Bühne des Schauspiel Kölns. Keine leichte Aufgabe angesichts der sehr erfolgreichen Beier-Produktion. Zudem musste Linder kurzfristig mit seiner Arbeit für die auf die Spielzeit 2023/2024 verschobene Premiere von Franz Kafkas „Der Prozess“ einspringen.

Linder kann sich auf ein exzellentes Ensemble verlassen. Jörg Ratjen überzeugt als skrupelloser Anwalt Alain, dem die ständig auf seinem Handy ankommenden Geschäftsanrufe bei weitem wichtiger sind als dieses arrangierte Friedenstreffen. Im Grunde ist ihm die Schlägerei unwichtig, wuchs er doch mit einem Männerbild a la John Wayne auf. Sabine Waibel spielt seine Frau Annette, ihres Zeichens eine Vermögensberaterin. Angeödet vom Desinteresse ihres Mannes und von den aggressiven Attacken und Forderungen (ihr Sohn Ferdinand habe sich bei Bruno unbedingt zu entschuldigen), beginnt sie zu trinken, erst Cola, dann Rum. Mit dem Erfolg, dass sie hemmungslos, aber auch lustvoll kotzen muss. Und das immer wieder. Somit verschwindet auch der letzte Anschein von zivilisierter Auseinandersetzung. Veronique (Lola Klamroth), die den Vorfall überzogen darstellt und auf einer Entschuldigung des Übeltäters besteht, fühlt sich von ihrem Mann Michel (Alexander Angeletta) in keiner Weise unterstützt. Sie bezichtigt ihn sogar der Anbiederung und stellt ihn gehässig bloß, als sie berichtet, wie er gefühllos den Hamster Knusperinchen seiner jungen Tochter nachts ausgesetzt hat. Weiss er doch angeblich nicht, ob Hamster Wildtiere oder Haustiere sind, nur eins ist sicher: er ekelt sich vor ihnen.

Die Bühne zeigt zu Beginn ein sparsam eingerichtetes Wohnzimmer: vier Sitzgelegenheiten, einige Lampen, im Hintergrund eine Holzwand. Diese verschiebt sich im Laufe des Abends immer weiter nach hinten. Auch die Kostüme entsprechen nicht dem bourgeoisen Stil. Michel trägt einen viel zu großen Pullunder mit grellem Muster, Alain einen kleinkarierten Anzug. Veronique trägt eine Bluse mit Puffärmeln und Annette verblüfft mit einem Hut, der eine sehr breite Krempe hat.

Manche Regieeinfälle an diesem Abend sind gelungen. So der von der Decke baumelnde rote Telefonhörer, der anzeigt, dass Michels Mutter anruft. Auch der auf die Streithähne rieselnde Schnee kann als Symbol der Gefühlskälte interpretiert werden. Unklar der Wasserschwall, der danach auf die Streitpartner herabprasselt.

Insgesamt ein vergnüglicher Abend, verfolgt man die fruchtlosen Bemühungen einer pseudozivilisierten Kommunikation.

Lebhafter Beifall in einer ausverkauften zweiten Vorstellung.