Zurück aus der Zukunft
Und wenn ich von der zeit spreche spreche ich von der zeit die schon nicht mehr ist. Ein Chor reist in die Vergangenheit um die Menschheit vor einer Katastrophe zu warnen. Doch was ist Vergangenheit, was Gegenwart, was Zukunft? Gleich zu Beginn seines neuen Stücks tut Thomas Köck alles, um Zeitebenen zu verwischen. Dabei nutzt er alle Möglichkeiten der deutschen Sprache. Das Publikum weiß bald nicht mehr, was ist, war oder sein wird. Dafür sorgt allein der virtuose Gebrauch von Futur II & Co. Ein verheißungsvoller Anfang also, dessen Spritzigkeit aber nicht allzu lange durchgehalten wird. Denn was verkündet der Chor? Die Welt steht aufgrund der Klimakatastrophe vor dem Untergang. Seine düsteren Prophezeiungen werden daraufhin blitzschnell vom herrschenden kapitalistischen System absorbiert, der Chor in einer wilden Show gefeiert, seine Aussagen ad absurdum geführt - natürlich auch mittels projizierter Unsinnskommentare aus dem Netz. Die wilde Show mündet in einer noch wilderen Party. Reichtum und Besitz protzen. Die Party ist sehr, sehr ausgedehnt. Am Ende kotzt die Moderatorin. Der Chor fällt auseinander. Ein Mitglied wird Influencerin. Pause.
Ein Chorist hat sich aufgeschwungen zum Propheten des Mammons. Seine Jünger*innen müssen zahlen, damit er ihnen sein Geld schenkt - ein Prinzip des Kapitalismus. Es folgt eine Prozession, an deren Ende viele, nein sehr viele Menschen ihre Besitztümer in einen Schmelzofen werfen. Das dauert eine gefühlte Unendlichkeit. Am Ende entsteht etwas, das bei Aron und Moses das Goldene Kalb genannt wurde - ein Götze des Geldes. Hier ist es - vom Bild her ein Stück direkter - ein lila Krake, dessen Anblick dem Publikum verborgen bleibt. Am Ende reist ein Baby zurück. In die Zukunft, die Vergangenheit oder unsere Gegenwart ?
Trotz enthaltener Längen ist der Abend durchaus kurzweilig zu genießen. Denn Regisseurin Mareike Mikat und Ausstatterin Thea Hoffmann-Axthelm präsentieren ihn durchweg als Augenschmaus. Vor allem die Lichtregie schafft abwechslungsreiche Stimmungen. Die Kostüme werden von den Farben Rosa und Blau dominiert. Das sorgt in Kombination mit der bewegungsreichen Personenführung Mikats und der Choreografie Judith Sánchez-Ruiz‘ für ständig neue Impulse, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Kurz ist der Abend, kommt er, aufgebläht durch eine völlig unnötige Pause, auf gerade mal zwei Stunden Spielzeit. Das ist natürlich ein sicher zu geringer Rahmen für eine Koproduktion von drei Sparten. TanzMünster kann immerhin situativ Stimmungen verstärken. Für das Musiktheaterensemble bleiben ein paar Töne für Maria Christina Tsiakourma und die Damen des Opernchores. Boris Cepeda untermalt mit dem Sinfonieorchester das Geschehen durch die flächige Musik Eniks. Das Schauspielensemble kann mit ausgefeiltem chorischen Sprechen glänzen.
Was kann man lernen? Wir befinden uns in einer Umweltkatastrophe. Kapitalismus korrumpiert. Das ist immerhin ein Anfang für alle, die das noch nicht gewusst haben.