Übrigens …

Pünktchen und Anton im Oberhausen, Theater

Eine Kinderheldengeschichte mit abgeschwächtem Happy-End

Auf der großen Bühne vor ausverkauftem Haus im Theater Oberhausen stehen fünf rot-gelb geblümte Giebelwände hintereinander geschachtelt und geben so eine Menge Raum für Auf- und Abtritte sowie Auf- und Abfahrten. Denn tatsächlich kommen Pünktchen und Anton gleich zu Beginn schwungvoll auf die Bühne geradelt. Nur die antiquierten Ledertornister auf ihren Rücken deuten eine längst vergangene Zeit der Ereignisse an. Ansonsten ist die Kostümierung der selbstbewussten Luise Pogge, genannt Pünktchen (strahlend und quirlig Samia Dauenhauer) zeitlos phantasievoll lila-rot-grün und des braven Anton (Tim Weckenbrock) eher bieder-beige. Als nächstes macht Pünktchens Vater, Herr Pogge, Generaldirektor einer Schuhcremefabrik, die Runden über die Bühne im weiß-glänzenden Mercedes der Sorte hochstilisierter Bobby Car. Der gute Mann erscheint allerdings nicht im Nadelstreifen, sondern eher clownig mit Harlekinskragen. Hilflos jammert er nach Pillen und Essen. Das ruft die umwerfend komische Haushälterin Berta auf den Plan: kraftvoll gegeben zwischen devot und frech von Anna Polke. Sie weiß den Nörgler zu nehmen. Mit opulentem weißen Rüschenkragen und Spitzenhäubchen gibt sie einer ganzen Generation von „Guten Geistern“ eine Gestalt. Zum Essen erscheint dann auch noch bunt aufgemotzt die vom Shoppen völlig erschöpfte Frau Pogge, die sich allerdings sogleich mit Migräne wieder zurückzieht. Für Pünktchen bleibt nur das Kindermädchen, das sich schon aus Eigennutz gut mit dem Mädchen stellt. Doch das kommt später. Erst einmal wird ein Häuschen auf die vordere Bühne geschoben und es wird schnell klar, darin lebt Anton mit seiner kranken Mutter, für die er sorgen muss. Dass der Junge echte Eier in die Pfanne schlägt, amüsiert die Kinder im Saal. Aber nicht nur kochen, auch Geld verdienen muss der arme Anton und das macht er nachts auf der Weidendammer Brücke in Berlin (sie wird tatsächlich im Stück genannt) durch den Verkauf von Schnürsenkeln und Schuhcreme. Dabei hilft ihm seine tolle Freundin Pünktchen, die eigentlich für Robert, den zwielichtigen Freund des Kindermädchens, betteln soll. Natürlich merken die viel beschäftigten Eltern, die ihr Kind sträflich vernachlässigen, nichts von den nächtlichen Touren. Erst als Anton den Einbruch des Bösewichts Robert in die Pogge’sche Villa verhindert, finden alle zusammen. Auf der Bühne fahren die Reichen und Armen gemeinsam mit Palmeninsel und rosa Schlauchboot an die Ostsee. Ein stark abgeschwächtes Happy End gegenüber dem Original, in dem Antons Mutter bei Pogges angestellt wird.

Während manche Szenen wie wahre Slapsticks daherkommen, wenn Berta zum Beispiel mit der Kupferpfanne auf den bösen Robert losgeht, der sie aber hinter der Pfanne gar nicht sieht, so thematisiert das scheinbar lustige Spiel doch unmissverständlich soziale Ungerechtigkeit und moderne Wohlstandsverwahrlosung, Probleme, die 1931, als der Roman erschien, existierten wie heute.

Die bunte und gelegentlich auch alberne oder satirisch überzogene Oberhausener Inszenierung schafft es, den Kästner’schen Ton zu treffen, und hinter allem Klamauk sowohl die Kinder-Helden auf der Bühne als auch das junge Publikum im Saal ernst zu nehmen.

Kästner war einer der ersten, der in Kindergeschichten in schnörkelloser Sprache soziale Probleme der Großstadt aufgriff. Den Stoff zu Pünktchen und Anton fand er übrigens in einer Zeitungsmeldung im Sommer 1931. Zu seinem hoffnungsvollem Schluss räumte er ein: „Es ist noch nicht so.“

Nach siebzig Minuten: herzlicher Applaus von Klein und Groß.