Übrigens …

Ein Sommernachtstraum im Schauspiel Essen

„Denn Liebe und Vernunft gehen nur selten Hand in Hand.“

Mit Shakespeares Ein Sommernachtstraum begann die Intendanz von Anselm Weber 2006. Und mit dem Sommernachtstraum endet die Intendanz von Christian Tombeil, der zur kommenden Spielzeit die Leitung des Essener Hauses an das Intendantinnen-Duo Selen Kara und Christina Zinte abgibt.

Ein Sommernachtstraum („A Midsummernight’s Dream“) wurde 1600 erstmals gedruckt. Entstanden dürfte das Stück schon 1595/96 sein. Das Werk gilt als erster Höhepunkt innerhalb von Shakespeares Komödienschaffen.

Sommernachtstollheit, „midsummer-madness“, wie sie am Johannisabend (24. Juni) die Londoner ergriff, beherrscht in dieser Komödie die Menschen ebenso wie die Natur. Elfen, Adlige, Handwerker werden von phantastischen Liebesträumen verwirrt. Sie irren in Nacht und Wald umher, einander suchend und fliehend, liebend und hassend, sich selbst und einander mehr und mehr verlierend, bis sich letztlich die Verworrenheit löst und alle feindliche Verzauberung aufgehoben wird.

Der Herzog von Athen, Theseus, bereitet seine Hochzeit mit der besiegten Amazonenkönigin Hippolyta vor. Dieses Hochzeitsfest bildet den Rahmen und den zentralen Zielpunkt für alle Handlungsstränge. Soll doch an diesem Tag Hermias Schicksal entschieden werden, die sich nicht dem Willen ihres Vaters fügen und der Liebe zu Lysander abschwören will. Eine Gruppe Handwerker probt das Stück „Pyramus und Thisbe“, um es bei der Hochzeit aufzuführen. Hermia flieht mit Lysander in den Wald, gesucht von Demetrius, hinter dem wiederum Hermias Freundin Helena in blinder Verliebtheit herirrt. Puck als Zaubergehilfe Oberons inszeniert die Liebesverwirrungen der beiden jungen Paare im Athener Wald und stiftet mit seinem magischen Elixier auch die - vorübergehende - Liebe Titanias zu Bottom, einem der Handwerker, den Puck in einen Esel verzaubert hat.

Tobias Materna inszenierte den Sommernachtstraum im Grillo-Theater. „Das Stück beschäftigt mich schon seit der Schulzeit, es hat mich durch mein ganzes Leben begleitet“, so Materna.

Der Abend kommt ganz ohne einen naturalistischen Wald aus. Zu Beginn sieht man Liegestühle in einem Halbrund stehen, dahinter weiße Vorhänge. Die Szene erinnert an eine Wellness-Oase, die nach und nach auftretenden Schauspieler nehmen als Gäste auf den Liegen Platz. Die Handwerker in der ursprünglichen Version der Komödie sind hier Barmann, Liftboy oder sonstige Mitarbeiter der Kuranlage. Die Gäste tragen Fantasiekostüme. So gleitet Thomas Büchel als Oberon in einem bodenlangen Reifrock elegant über die Bühne und Stefan Diekmann als Egeus trägt sehr weite Hosen. Demetrius (Alexey Ekimov) ist in ein rosa Gewand gekleidet und fällt mit altmodischen Strumpfhaltern auf.

Materna vertauscht in seiner Inszenierung die Texte der beiden Liebespaare, d.h. sie sprechen mit vertauschten Rollen. Was eine erstaunliche Nähe zu heute aktuellen Diskussionen von Geschlechterrollen schafft. Besonders unterhaltsam ist es, den beiden jungen Paaren zuzusehen, wie sie umeinander werben, nicht immer erfolgreich. Bis Puck (herrlich Grantlerin und genervt-widerwillig den Befehlen Oberons folgend: Jan Pröhl) schließlich mit magischen Mitteln die Probleme löst. Janina Sachau als Elfenkönigin und Dennis Bodenbinder als Lysander ergänzen das Personal dieser Komödie trefflich. Trixi Strobel gibt eine kratzbürstige Helena und Lene Dax eine temperamentvolle Hermia. Einer der Höhepunkte des quirligen Abends ist die Theatervorstellung der Handwerker bzw. der Hotelangestellten.

Jens Winterstein ist der bemühte Regisseur. Schon die Verteilung der Rollen führt zu manchem Kabinettstückchen, sind doch alle heiß darauf, zu spielen. Ingrid Domann ist Helga Schnauz und begehrt auf, weil sie nicht Thisbe spielen darf. Kommentar des Regisseurs: „Geschlechtergerechte Besetzung war gestern.“ Umwerfend komisch und überzogen, wenn Philipp Noack im blauen Abendkleid und auf hochhackigen Schuhen als Thisbe über die Bühne hastet und Stefan Migge den Pyramus höchst überzogen spielt. Am liebsten spielte er alle Rollen: „Lass mich den Löwen auch noch spielen.“ Stefan Diekmann und Rezo Tschchikwischwili ergänzen die hinreißende Laienspielschar. Zu Recht Szenenapplaus.

Insgesamt ein poetisch-witziger Abend mit vielen höchst amüsanten Einfällen. Unterhaltsam im besten Sinne - Shakespeare hätte seine Freude gehabt. Das Premierenpublikum war begeistert.