Peer Gynt, ein Träumer und Phantast, aber auch ein Egoist und Versager
„Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustand der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt: daher erschrecken uns die gelegentlichen Ausbrüche seiner Natur. Aber wo und wann einmal Schloss und Kette der gesetzlichen Ordnung abfallen und Anarchie eintritt, da zeigt sich, was er ist…“ (Arthur Schopenhauer)
Peer Gynt, mit allen Reizen des Märchens, einer Fülle phantastischer Wendungen und Szenen von stärkstem Wirklichkeitsgehalt, ist die Geschichte eines Muttersöhnchens und Phantasten. Peer, der wortgewandte Ichsucher, setzt sich mit Phantasie und Größenwahn über die Realität seiner kleinkarierten Herkunft hinweg. Er erfindet sich seine eigene Welt, will König und gar Kaiser werden. Am Hochzeitstag entführt er die reiche Bauerntochter Ingrid, lässt sie dann aber sitzen, weil er das Mädchen Solveig schöner findet. Auf der Suche nach seinem wahren Ich rät ihm der „Krumme“, „außen herum zu gehen“, einen Umweg zu machen.so lässt Ibsen seinen Helden die wildesten Abenteuer in vielen Ländern bestehen und bringt ihn schließlich an seinen Ausgangsort zurück.
In dem 1867 in Italien entstandenen „dramatischen Gedicht“ stellt sich am Ende der „Knopfgießer“ Peer in den Weg und verkündet ihm sein irdisches Ende. Peers Lebenszyklus wird in der Metapher einer Zwiebel dargestellt, in der der alternde Peer nichts als ungenießbare Schalen von beißendem Geschmack findet, im Kern nur das Nichts. Immer wieder sieht er sich vor die Entscheidung „Sei du selbst“ oder „Sei dir selbst genug“ gestellt.
Tom Gerber inszenierte Peer Gynt am RLT in einer verkürzten Version. Er zeichnete auch für Bühne und Kostüme verantwortlich. Das recht wandlungsfähige Bühnenbild wird nur in Details geändert. Grüne, flexible Stellwände ermöglichen verschiedene Auftritte und Abgänge. In der Mitte steht vorne eine große Kiste. Das Grab Peers, an dem ein Pfarrer fromme Worte spricht. Von hier aus zieht Peers Leben im Rückblick vorbei. Gerber hat für den Protagonisten mehrere Darsteller gewählt. Zu Beginn kommt der Knabe Peer hereingeschlendert (Kristina Harutyunyan). Er trägt eine weiße Perücke, ein weißes Hemd und eine schwarze Hose wie auch die folgenden Ausgaben Peers. Simon Rußig ist der heranwachsende Peer, Carl-Ludwig Weinknecht gibt den Erwachsenen und Heiner Stadelmann den alten Mann. Sie alle verkörpern also bestimmte Lebensphasen im Leben Peers. Stadelmann beeindruckt ungemein als lebenserfahrener alter Mann.
Insgesamt wechseln ruhige und sehr lebhafte Szenen, so zum Beispiel die im Irrenhaus. Auch den anderen „Peers“ ist Lob zu zollen. Weinknecht berichtet sehr anschaulich von seinen schmutzigen Geschäften, hier fließen Fakten von heute wie der Organhandel und Kinderarbeit ein. Er ist stolz auf seine Erfolge bei verschiedenen Berühmtheiten. Rußig ist ein überaus agiler junger Peer, dem man seine wilden Aktionen wie den Brautraub sofort glaubt.
Der Abend ist voller phantasievoller Regieeinfälle, zum Beispiel in der Szene im Irrenhaus oder wenn Peer mit der Tochter des Trollkönigs (Antonia Schirmeister, Johannes Bauer) anbandelt. Alle Schauspieler übernehmen mehrere Rollen, so auch Peter Waros (Kapitän, Pfarrer, Knopfgießer). Hergard Engert spielt Peers alte Mutter Aase, die jammert, aber auch kämpferisch ist. Nelly Politt gibt die junge Solveig.
Veronika Schepping begleitet mit ihrer Geige die verschiedenen Lebensabschnitte Peers musikalisch.
Ein insgesamt überzeugender Theaterabend mit einem sehr guten Ensemble, den das Publikum mit heftigem Applaus und Bravo-Rufen honorierte.